Die Wahrheit: Artensterben verboten

Tiere vor Gericht – ein weites Feld, auf dem auch die FDP juristisch auf breiter Front querschießt.

Ein schwarzer und weißer Bock, die ihre Köpfe aneinanderstoßen in einer Kampfarena

Rammböckinnen, mitschuldig am Naturverlust Foto: reuters

Auch die Justiz ist derzeit noch in den Sommerferien. Statt Urteile zu sprechen oder entgegenzunehmen, tummeln sich Straftäter, Richter und Anwälte am Strand. So bleibt wunderbar Zeit, ein paar liegengebliebene Fälle aufzuarbeiten.

Wir erinnern uns: Die Welt der Tiere war und ist wiederholt Gegenstand aufsehenerregender Prozesse. So versuchte jüngst die dümmste Tierschutzorganisation der Welt, Peta, in den USA, das Recht eines Affen am eigenen Bild einzuklagen, und scheiterte kläglich. Auch zeigten weltweit mehrere Bürger Polizisten an, die aggressive Kampfhunde einfach erschossen hatten, statt sie auf die stille Treppe zu setzen.

Mit Spannung erwartet wird darüber hinaus die Verhandlung über eine Klage des Berliner Alice-Salomon-Tierheims vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die engagierten TierfreundInnen bekämpfen in letzter Instanz das generische Maskulinum im Tierreich – auch hier werde die Existenz weiblicher Tiere schlicht geleugnet. Nicht jeder Tiername sei sprachlich so korrekt wie der Ziegenbock. Künftig sollen stets und überall beide Formen genannt werden.

Kuckucks- und Kuckucksweibchenuhren

Natürlich wird man sich erst gewöhnen müssen an „Kuckucks- und Kuckucksweibchenuhren“, an „Fisch- und Fischweibchenstäbchen“ und an den „Hunde- und Hündinnenbadestrand“. Auch die „Rammziege“ und die „Elefantenkuh im Porzellanladen“ klingen neu, und „Rotkäppchen, der Wolf und die Wölfin“ von den Geschwistern Grimm liest sich auf den ersten Blick sperrig. Aber Neues ist nun mal ungewohnt – was kein Argument dagegen ist. Der Klage angeschlossen hat sich mittlerweile die Gruppe „Genderman für eine sanftere Welt“. Dass männliche Läuse nur „mitgemeint“ sein sollen, wenn Alarm in der Kita ist, wollen sie nicht mehr akzeptieren. Auch „Wasserhahn und -henne“ sowie „Gänse- und Ganterblümchen“ liegen ihnen am Herzen.

Die Aufmerksamkeit für all diese Prozesse wird allerdings schlagartig verblassen, sobald die FDP (und als Nebenkläger die Ludwig-Erhard-Stiftung) ihre aufsehenerregende Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einreicht. Die Liberalen wollen mit einer Musterklage den Brachpieper dazu zwingen, weiterzuleben. Zum Verständnis: Der Brachpieper gehört zu den Brutvögeln, die in der Kategorie 1 der Roten Liste stehen – vom Aussterben bedroht. Die FDP argumentiert, dass das angedrohte Aussterben ein erpresserischer Akt und ordnungspolitisch höchst bedenklich sei. Der durch die Drohung erzwungene Artenschutz behindere die ungestörte Tätigkeit der Wirtschaft.

FDP-Chef Lindner: „Die FDP steht für konkretes und konstruktives Handeln. Wir leugnen die Naturzerstörung nicht einfach, wie die AfD-Kollegen, sondern wir unterbinden sie mit rechtsstaatlichen Mitteln. Wir sind die Partei des Rechts, der Ordnungspolitik und der Marktwirtschaft.“ Auf die Frage, ob es mit der gerichtlich angeordneten Weiterexistenz des Brachpiepers getan sein werde, wo doch 25.000 von 91.000 Arten bedroht seien, entgegnete Lindner, dass die FDP perspektivisch alle Pflanzen und Tiere zum Überleben zwingen wolle.

„Für mich als Marktwirtschaftler ist es unerträglich, wenn Naturschutzregeln zum Schaden etwa der Chemieindustrie erzwungen werden. Mit Extinktion drohende Tier- und Pflanzenarten sind für mich Gesinnungstäter, die eigentlich dem politischen Strafrecht unterworfen werden müssten. Letztlich sind das Selbstmordattentäter. Wenn unangepasste Minderheiten die Verdienstmöglichkeiten der freien Wirtschaft behindern, ist für mich Ende Gelände.“

Vogelgrippe-Partys

Parallel zu der Klage vor dem EuGH hat die FDP einen Gesetzentwurf in Berlin eingebracht, die sogenannte „Lex Lemming“. Demnach sind viele Arten zumindest mitschuldig an ihrer Dezimierung. Verboten werden sollen: spontane Hühnerversammlungen („Vogelgrippe-Partys“) in Legebatterien mit anschließendem Massensterben; das gezielte Anfliegen vergifteter Agrarflächen durch Insekten und Vögel; erpresserische Strandausflüge von Walen und Delfinen ohne Navi und ausreichendem Lichtschutzfaktor; der mutwillige Verzehr von Plastik durch Meerestiere; das provozierende Zurschaustellen von Potenzmitteln durch Nashörner und Elefanten.

Und schließlich heißt es bei den Liberalen, dass manche Tiere völlig zu Recht ausgestorben seien: Beispiele sind der Tuthahn (zu laut), der Harpfen (zu schlechte Musik), die Plapperschlange (zu geschwätzig), der Hohlibri (zu leicht), die Kraulquappe (zu schnell), der Korkenkäfer (zu versoffen), der Hockerspaniel (plattgesessen), der Bringuin (zu erschöpft), der Halbatros (zu beschädigt) und das Dreh (ständiger Schwindel).

Solche Geschöpfe hätten im freien Kräftespiel eben keine Chance und fielen der „unsichtbaren Hand“ des großen Jägers und nationalökonomischen Liberalengottes Adam Smith zum Opfer. Tja, Pech!

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kari

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