Die Wahrheit: Truthahn in der Tonne

Mülltrennung auf Irisch: Manchmal liegt eine kaputte Autotür auf der Recycling-Tonne als sei es eine gigantische Getränkedose.

Der Mann von der Müllabfuhr hatte schlechte Laune. Er hatte den Deckel meiner Recycling-Tonne hochgeklappt und deutete auf die Verpackung von Hühnerkeulen. „Weiches Plastik“, schnaubte er. „Das gehört nicht in diese Tonne.“ So weich sei das Plastik doch gar nicht, entgegnete ich lahm, aber er ließ das nicht gelten. „Die Plastikschale ist okay, aber nicht die dünne Folie, mit der sie abgedeckt war“, rief er.

Ich solle das inkriminierte Material entfernen, sonst würde er die Tonne nicht leeren, drohte er. So warf ich die Verpackung in die Restmülltonne. Das war ihm auch nicht recht. „Die Schale muss in der grünen Tonne bleiben“, sagte er, „du hast sie doch hoffentlich gespült.“ Natürlich, log ich, sie sei im Geschirrspüler gewesen.

„Du ahnst ja nicht, was die Leute alles in die Recycling-Tonne werfen“, meinte er. „Voriges Jahr habe ich ein komplettes Festessen in der Tonne gefunden“, behauptete er. „Truthahn, Röstkartoffeln, grüne Bohnen, Rosenkohl und Obstsalat. Selbst das Porzellangeschirr und die bunten Weihnachtshüte waren in der Tonne.“ Er habe an der Haustür geklingelt. „Der Hausherr brüllte, Weihnachten könne ihm gestohlen bleiben, es habe einen Streit gegeben, seine Frau sei noch am Weihnachtstag zu ihrer Mutter abgehauen, und die Kinder seien ausgewandert.“

Manchmal finde man auch tote Haustiere in der Tonne, sagte er. „Einer meinte, man könne seine verstorbene Mieze im Zoo recyceln und sie an die Löwen verfüttern.“ Ein anderer habe seine kaputte Autotür auf die Tonne gelegt und behauptet, es sei doch so ähnlich wie eine gigantische Getränkedose.

Billig ist die Müllabfuhr nicht, seit sie privatisiert wurde. Eigentlich sollte es wegen des Konkurrenzkampfes preiswerter werden, aber die Unternehmen haben die Reviere unter­einander aufgeteilt und den Preis abgesprochen. Sie kassieren eine happige Grundgebühr, damit sie einen als Kunden überhaupt akzeptieren. Dann kassieren sie Miete für die Tonnen. Des Weiteren muss man eine Gebühr für jede Leerung entrichten. Und wenn das Gewicht die willkürlich festgelegte Obergrenze überschreitet, muss man nochmal etwas drauflegen, weil man gegen die „Fair Usage Policy“ verstoßen hat.

Diese „Regel zur angemessenen Verwendung“ ist erfunden worden, um die Kundschaft noch besser schröpfen zu können. Ob Mobilfunkanbieter, Internetunternehmen oder eben die Müllabfuhr – alle werben mit einem niedrigen Pauschalpreis, der laut Kleingedrucktem aber nur dann gilt, wenn man den Dienst praktisch nicht in Anspruch nimmt.

„Es ist ein schmutziges Geschäft“, grinste mein Müllmann, nachdem ich die Hühnerkeulenschale wieder in die grüne Tonne gelegt hatte. „Aber du lernst die Mülltrennung auch noch, wenn demnächst Geldstrafen für weiches Plastik in der falschen Tonne verhängt werden.“

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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