Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

ARD-Experte Mehmet Scholl hat eine ganz eigene Meinung. Ukip-Chef Nigel Farage freut sich und isländisch Tippen kann dauern.

Islands Fußballkapitän Aron Gunnarsson zeigt mit dem Daumen nach hinten

Islands Kapitän Aron Gunnarsson weiß wo's langgeht Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: ARD-Experte Mehmet Scholl hatte eine eigene Meinung.

Und was wird besser in dieser?

Man diskutiert ja eh gerade Honorarkürzungen.

Boris Johnson will nun doch nicht britischer Premierminister werden, dafür krallt sich Labour-Chef Jeremy Corbyn an seinem Stuhl fest. Wer von beiden hat die klügere Entscheidung getroffen?

Nigel Farage. Der Ukip-Chef hätte sich nichts Schöneres wünschen können als die offensive Botschaft der anderen, zerstritten, planlos und egoman zu sein. Liest Horst Seehofer britische Zeitungen?

Sowohl bei Labour als auch bei den Tories stehen Frauen bereit, das politische Chaos zu flicken. Sind Frauen die besseren Krisenmanagerinnen?

Warum soll ich schlechte Politik gut finden? Lila Populismus ist auch Populismus

Die These wird Frauke Petry und Marine le Pen sicher freuen. Beide manövrierten sich durchaus robust an die Macht. Wogegen man im Nachhinein zugeben muss, dass etwa Hans-Jochen Vogel in Schmidts abgerockter SPD die Trümmerfrau gab. Auch ließe sich fragen, ob Deutschland in Europa je so schädlich dummdominant wirkte wie unter Frau Merkel; ob die Bundeswehr sich je so aggressiv weltweit an Kampfeinsätzen beteiligte wie unter von der Leyen und Merkel. „Die Kerle haben es versemmelt, nun müssen die Frauen ran“ ist, im Lichte dieser Beispiele, ein gefährlicher Satz.

Warum soll ich schlechte Politik gut finden, wenn sie von Frauen gemacht wird? Er lässt sich so einfach beweisen wie widerlegen und taugt schließlich nur dazu, rückwärtiger Politik fortschrittliche Stimmen zu gewinnen. Lila Populismus ist auch Populismus. Bei Spiegel.de kommentierte es kürzlich, „selbst Männer, die sich für komplett harmlos halten“, mögen bitte künftig die Straßenseite wechseln, wenn sie nachts einer Frau begegneten. Das gibt Hoffnung: Die Idee, es gebe ein Geschlecht, das grundsätzlich mindestens drei Schritte hinter dem anderen herlaufen sollte, macht solche Positionen anschlussfähig an radikalislamische Thesen.

Island ist schon jetzt Europameister der Herzen. Ziehen Elfen und Kobolde bald in den europäischen Kulturmainstream ein?

Ðævið gegen Goliath! Dauert übrigens Stunden, bis man die isländischen Sonderzeichen mit der „Alt“-Taste und vierstelligen Tastenkombinationen – und ist Island nicht selbst eine Kombi– Nation? – jedenfalls: geschrieben hat. Umso erstaunlicher, wie viel das Land auch zur Weltliteratur beigetragen hat. Erst recht, da Halldor Laxness noch gar keinen Schreibcomputer hatte.

Terror am Istanbuler Flughafen. Wahrscheinlich war es der sogenannte Islamische Staat (IS). Der türkische Ministerpräsident Erdogan bekämpft jedoch immer noch die Kurden, die dem IS konstant wirklich etwas entgegensetzen. Wie sollte die EU ihm klar machen, dass er sich damit keinen Gefallen tut?

Wenn mein aus der Türkei stammender Nachbar etwas wirklich Böses geißeln will, sagt er „Peckockah“. Nach einem Schaltmoment ist mir klar, dass „PKK“ und Kurdentum an sich für ihn und viele andere synonym für Terror und Verbrechen steht. Wie immer das herbeipropagiert wurde – Erdogan kann sich bei diesem Hass auf weite Teile der Bevölkerung stützen.

Die USA verlangen beim Visa-Antrag bald auch das Social Media Profile. Würden Sie eher das Ihres Hundes oder das Ihrer Frau angeben?

Im letzten August wurde eine deutsche Touristin ausgewiesen. Aus einem Face­book-Post, in dem sie schreibt, dass sie „auch mal auf die Kinder der Gastgeber“ aufpasst, hatten die US-Behörden ihr eine illegale Berufstätigkeit gebastelt. Sie tun’s also eh und wollen es jetzt nur legitimiert haben.

Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie zuletzt 1991. Können wir jetzt doch wieder die Grenzen aufmachen?

Schon erstaunlich, dass die letzte Studie zur „Jobmaschine Zuwanderung“ von 2010 stammt. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, revolutionärer Umtriebe unverdächtig, ließ damals ermitteln, Zuwanderer hätte per anno 150.000 neue Jobs geschaffen. Und in den nächsten Jahrzehnten würden bis zu 700.000 hiesige Gründer ersetzt werden müssen. Wenn das der Syrer wüsste.

Bud Spencer tot, Götz George auch. Was werden Sie an den beiden am meisten vermissen?

Die beiden. Die Jahresrückblicksendungen 2016 werden eine traurige Litanei und zur Hälfte aus Schwarzweißfotos bestehen.

Der Papst meint, man müsse Homosexuelle, Frauen und Arme um Vergebung bitten. Bei wem müsste sich die katholische Kirche noch entschuldigen?

Franziskus folgt damit einer Forderung des deutschen Kardinals Marx, und der Papst legt noch Reue gegenüber „ausgebeuteten Kindern“ und „kirchlich gesegneten Waffen“ obendrauf. Da bleibt nicht mehr viel, außer dass er sich für die komplette katholische Kirche entschuldigen könnte. „Wir tun uns leid“ ist aber auch kein zukunftsweisender Claim. Entscheidend wird sein, ob er sein mittleres Management inhaltlich mitnimmt. Seine hübsche Sottise, „Der Hofstaat ist die Lepra des Papsttums“, deutet nicht in diese Richtung.

Die Österreicher müssen die Wahl für das Bundespräsidentenamt wiederholen. Macht Ihnen das Angst?

Ja. Die Amtsbefugnisse des österreichischen Bundespräsidenten reichen unbenommen unseres Hindenburg-Traumas weit; er kann das Parlament auflösen und Kanzler seiner Gunst Gesetze nach seinem Gusto einbringen lassen. Dö´s Gschlamperte am ersten Wahlgang scheint FPÖ-Parolen vom Machtmissbrauch der „Altparteien“ zu bestätigen, der Brexit ermutigt die traditionelle EU-Skepsis. Makaber: eine beispielhaft abrauchende britische Wirtschaft könnte van der Bellen retten.

Und was machen die Borussen?

Überwinden spielerisch die Grenze zwischen Fußballverein und Einkaufszentrum. Wenn die neu zusammengekaufte Elf zum ersten Mal aufläuft, könnte die Choreo der Süd lauten: „Gestatten? Wir sind Ihre Fans.“

Fragen: AFROB, ROBO

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.