Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Von Nicht-Rücktritten, wirklichen Rücktritten in der deutschen Politik und süßen Kinderfotos auf Instagram und Co.

ein Männerkopf, von dem man nur die obere Hälfte sieht

Hat alles richtig gemacht – entschuldigt sich aber trotzdem: Olaf Scholz Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Keine GroKo, noch kein Jamaika: wir sind unterregiert.

Und was wird besser in dieser?

Och, könnt ich mich dran gewöhnen.

Hätte es bei den G20-Krawallen einen Toten gegeben, wäre er zurückgetreten, sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz. „Ich hätte die Konsequenz ziehen müssen, auch wenn klar gewesen wäre, dass ich nichts falsch gemacht habe.“ Hält diese Verteidigungslinie?

Der Linken war der Polizeieinsatz zu gewaltsam, der CDU nicht durchgreifend genug. FDP-Chefin Suding ist nach Berlin abgängig, die AfD beschäftigt sich mit sich selbst und die Grünen regieren mit. Über allem wabert die Absolution Merkels, die Rücktrittsforderungen aus ihrer eigenen Partei zurückgewiesen hat. Die Lage könnte ungünstiger sein für Scholz; er entschuldigt sich für alles, was er eh nicht falsch gemacht hat. Legt die zersplitterte Opposition keine smoking gun auf den Tisch, war’s das. Beschädigt es Merkels bundespolitische Ambitionen, dass sie ihren Laden nicht im Griff hat? Ja nun.

Matthias Höhn, Geschäftsführer und Wahlkampfleiter der Linken, ist zurückgetreten. Ein Grund sollen Differenzen mit Kipping und Riexinger sein. Sind SPD und Linke die mit sich selbst beschäftigteste Opposition, die wir je hatten?

Die Lage könnte ungünstiger sein für Scholz; er entschuldigt sich für alles, was er eh nicht falsch gemacht hat

Just fragte Bernd „das Brot“ Riexinger, „ob die Grünen auch in ihren Kernthemen Klima und Flüchtlinge bereit sind, für Macht und Ministerposten Haus und Hof zu verschachern“. Die Linken dagegen könnten locker eine Position verkaufen, sie haben ja zwei. Während Riexinger sich der AfD als „härtester Gegner“ ankündigt, säuselt Wagenknecht, man habe es sich „in der Flüchtlingsfrage zu leicht gemacht“. Dazwischen zerrieb sich Höhn und flieht nun in ein Bundestagsmandat. Bei der Linken rivalisieren Wagenknecht und Bartsch mit den Grüßbeamten der Parteispitze; bei der SPD scheint es um Scholz, Schulz und Nahles zu gehen. Fazit: Beide Parteien haben keine integrierende Führungspersönlichkeit. Noch schlimmer: Das aktuelle Personal lässt sich stets vom Konflikt Schröder – Lafontaine dominieren. Womit bewiesen wäre, dass überstrahlende integrierende Führungspersönlichkeiten Mist sind.

Dem ARD-Deutschlandtrend zufolge sinkt die Zustimmung zu Jamaika rapide. Darf gut Ding keine Weile mehr haben?

Einfache Naturmedizin: Große Koalitionen verstärken die Ränder, und häufige Neuwahlen verschärfen dieses Problem. CSU und FDP handeln dagegen, Grüne und CDU demonstrieren Verantwortungsbewusstsein. Die SPD könnte den Prozess beschleunigen, indem sie eine Koalition anbietet unter der Bedingung: ohne Merkel.

Der Europäische Gerichtshof verhandelt derzeit, ob Kirchen Konfession zur Bedingung für einen Job machen dürfen. Wie sehen Sie das?

Sammelartikel 140 im Grundgesetz sagt, die „Zulassung zu öffentlichen Ämtern“ ist „unabhängig vom religiösen Bekenntnis“. Die Religionsgemeinschaften bleiben „Körperschaften des öffentlichen Rechtes“. Und „verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“. So weit, so wumpe: Trotz der klaren Ansagen entschieden Gerichte bisher für ein „Proprium“ der Kirchen, „wenn die Religionszugehörigkeit nach dem Selbstverständnis der Kirche für die Stelle wesentlich ist“. Das ist schon lächerlich bei geschiedenen Chefärzten und gottlosen Kindergärtnern. Im beklagten Fall ging es um eine „Referentenstelle zur UN-Antirassismuskonvention“. Immerhin hat die Diakonie den Job nicht gleich „für engagierte Rassisten“ ausgeschrieben. Da es gerade Mode ist, den Islam an jeder Straßenecke zum Kotau vor der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einzuladen, böte sich den christlichen Kirchen hier gute Gelegenheit, mit erleuchtetem Beispiel voranzugehen.

Nach den Panama Papers enthüllen nun die Paradise Papers die Steuerschummeleien großer Unternehmen. Ihr Kommentar dazu?

Macron will ein europäisches Finanzministerium, die deutschen ein deutsches und nötig wäre offenbar ein globales.

Eltern posten Fotos ihrer Kinder bei Facebook oder Instagram. Das Kinderhilfswerk hat nun eine Kampagne dagegen gestartet. Waren Sie auch schon mal in Versuchung? Was hilft gegen die Posting-Sucht?

Will man mit Kindern für Film und Fernsehen drehen, benötigt man die Zustimmung des Kindes, der Erziehungsberechtigten, der Schule, aller anderer beteiligten Personen und regional unterschiedlich: des Ordnungsamtes. Das nervt. Deshalb gibt es wenige gute Filme über die Zustände an den Schulen. Und: Es ist völlig ok. Nötig und sinnvoll. Soziale Netzwerke sind der Wilde Westen der Publizistik, und das ist falsch. Ich kann froh sein, wenn meine Kinder keine schrecklichen Fotos von mir posten.

Und was machen die Borussen?

Müssen Sie mich daran erinnern?

Fragen: DIR, AW

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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