Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Erdoğan legt einen Paranoia-Vorrat an, Bertelsmann schickt seine Tochter anschaffen und der MDR kopiert mit der N-Wort-Debatte Deniz Yücel.

Das Logo der Deutschen Bank ist als verzerrtes Spiegelbild in einer gegenüberliegenden Hochausfassade der Firmenzentrale des Bankhauses zu sehen

Was ist denn da los? Die Deutsche Bank hat aus Versehen 28 Milliarden auf ein falsches Konto überwiesen Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Laut interner Umfragen des Brandt-Hauses war der SPD-Kernbegriff „Solidarität“ in den Nullerjahren durch den „Soli“ und Missgunst so unbeliebt geworden, dass die Partei ihn nach außen vermied.

Und was wird besser in dieser?

„Schlüsselwort in Nahles’ Rede: Solidarität“.

Erst machte der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert wochenlang Stimmung gegen die Große Koalition, an diesem Wochenende kandidierte die Flensburgerin Simone Lange trotz erwartbarer Niederlage um den Parteivorsitz gegen Andrea Nahles. Schlummert da doch noch viel Revolutionäres in der SPD?

Dass Nahles als „prollig“ benasrümpft wird, amüsiert – bei der dunnemals Proletenpartei SPD. Wirkt, als schämte sich eine erdrückende Mehrheit von Verbindungslehrern der einzigen Klassensprecherin in ihrer Runde. Gerade das Dreiste und bis zum albernen Platte an Nahles’ Auftritten birgt jedoch einen Zug von „Anti-Establishment“. Genau das fehlt der SPD. Zwar ist Nahles selbst eine besonders ehrgeizige und gewiefte Funktionärin, doch hey, wir sind hier im Showbusiness: Neben dem Wahlergebnis wird künftig die Phonstärke des allgemeinen Zähneknirschens rings um die Chefin Auskunft geben über die richtige Linie. Also auch okay, wenn die SPD nicht zu wenige Punkte in Flensburg hat.

In der Türkei ist wieder ein deutscher Journalist festgenommen worden. Adil Demirci stammt laut Spiegel aus Köln und arbeitet für die Nachrichtenagentur ETHA. Ihm soll Terrorpropaganda vorgeworfen werden, aber einen Aufschrei oder ein #freeadil gibt es nicht. Überrascht?

Makaber: Dieses Unrecht diplomatisch und verschwiegen zu bekämpfen widerspräche jedem Anstand – und dummerweise auch der Strategie des Erdoğan-Regimes. Die Eskalation mit Holland um Wahlkampfauftritte und mit Deutschland um Inhaftierungen hat Erdoğan geholfen, sein Plebiszit zu gewinnen. In dieser Linie pragmatischer Paranoia legt sich das Regime nun einen neuen Vorrat an – just in der Woche, in der die Neuwahlen vorgezogen werden. Erdoğan hat ein Interesse am Aufschrei – Demirci allerdings auch, und er hat ein Recht darauf.

Nach der Aufregung um den „Echo“ trotz der antisemitischen Texte von Kollegah und Farid Bang hat deren Musiklabel BMG die Zusammenarbeit mit den Rappern auf Eis gelegt. Hatten die Labelchefs bisher nie in die Musik ihrer Cashcows reingehört?

Meine Lieblingstextzeile ist die, wonach BMG-Mutter Bertelsmann nun „100.000 € für eine Antisemitismus-Kampagne zur Verfügung“ stelle. Noch mal in Zeitlupe drüberlesen. – Der Medienkonzern aus Gütersloh macht’s klassisch: Die Tochter anschaffen schicken, damit der Sohn Theologie studieren kann. Wobei: Ein Schrotschuss Almosen auf ein paar Berliner Schulhöfe kommt frömmelnd daher – gegenüber dem bundesweiten Abwurf von Schwellhodenvertonung. Berührend in allem: Wie dem durchaus schon als „Weizsäcker des Punk“ geschmähten Sänger Campino beim Ablesen seines Kommentars tatsächlich und an Tagen wie diesen die Hand zitterte.

Der MDR wollte am Dienstag mal ganz unverfänglich über „Politische Korrektheit“ schnacken – und fragte sein Publikum bei Twitter, ob man das N-Wort noch sagen darf (der MDR schrieb es aus). Darüber unterhalten sollten sich vier Weiße, darunter Ex-AfD-Politikerin Frauke Petry und Peter Hahne. Darf man den MDR – trotz der Absage der Sendung – dafür scheiße finden?

Ihre Wortwahl „scheiße“ ist verdauungsdiskriminierend und wird von vielen Därmen als beleidigend empfunden. Führt allerdings zu der tiefbraunen Frage, warum das Schicksal es sich gefallen lässt, N-Wort-Debatten grundsätzlich zu Führers Geburtstag abzuhalten. So begingen wir diesmal den 5ten Jahrestag jenes legendären „taz-Lab“ am 20. 4. 2013, bei dem Deniz Yücel mit einer wuchtigen Salve N-Wort-haltiger Adorno-Zitate die gewünschte Diskussion in Geschrei auflöste. Yücel damals vorausschauend: Er lasse sich von niemandem das Wort verbieten. Auf dem taz-Panel und im Saal waren viele, die sich von rassistischer ­Wortwahl angegriffen fühlten. Fünf Jahre danach also hätte der MDR schon auf die Idee kommen oder sich dahin googeln können: Eine Diskussion mit Frauke Petry – sie und ihresähnlichen leiden an rhetorischer Glasknochenkrankheit – sollte inzwischen lauten: „Darf man heute noch ‚Nazi‘ sagen ?“

Die Deutsche Bank hat aus Versehen 28 Milliarden auf ein falsches Konto überwiesen. Kann schon mal passieren, oder?

Viel spannender Sherlock-Spaß jetzt für Kenner: Warum das Vieraugenprinzip versagte, warum eine Branchenroutine namens „Bärenfalle“ durchschlief und mehr. Das lenkt ein bisschen von der Frage ab, wie halbseiden ein Wirtschaftszweig ist, in dem eine Bank mehr Geld überweisen kann, als sie selbst nach letztem Börsenkurs wert ist.

Und was machen die Borussen?

Vier Buden und teils begeisternder Fußball: Die Mannschaft hat keinen Respekt mehr vorm Trainer. Fragen: afro

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