Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Der WDR-Skandal um sexualisierte Gewalt weitet sich aus, es gibt 2018 keinen Literaturnobelpreis und Trump hat eine Pornodarstellerin bestochen.

Eine Frau hält sich den Arm vor das Gesicht, auf dem Arm steht in rot: MeToo

Diese Woche hat #Metoo wieder viel erreicht Foto: imago/Photocase

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Heiko Maas bereist Afrika früher als alle Amtsvorgänger.

Und was wird besser in dieser?

Merkt vielleicht wer.

Olaf Scholz hat den neuen Haushaltsplan vorgelegt. Zusätzliche Schulden sieht er, wie schon sein Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble, keine vor, ergo auch keine Investitionen. Hat Scholz damit jetzt zugegeben, dass er das falsche Parteibuch besitzt?

Nullinger Schäuble ist noch stets der beliebteste Politiker Deutschlands, Scholz wäre kindisch, sich in Sache und Auftritt harsch abzugrenzen. Oil of Olaf: ein bisschen sozialdemokratischer dreinschauen und hinterlistig schmunzeln. Man investiere, denn man gebe den Ländern Geld zum Ausgeben. Beide, Schäuble und Scholz, standen vor einem Dilemma: Die Finanzkrise lehrte, dass Schulden gefährlich sind und „systemrelevante Banken“ den Staat vorführen konnten. Einfach weil er von ihnen abhing. Amateure überfallen Banken.

Profis machen es schlimmer: Sie nehmen keine Kredite und zahlen die alten zurück. Andererseits schreien Digitalisierung, Bildungskrise und tausend Ungerechtigkeiten im Staatshaushalt nach Ausgaben. Man müsste also Geld ausgeben und zugleich Schulden abtragen. Macht zusammen: null. Das ist solides Sachwalten. Politisches Gestalten dagegen wäre, die Klüfte der Gesellschaft zu heilen. Nicht mit ein paar Spritzern Baukindergeld und Mütterrente, sondern mit einer Steuerreform, die oben nimmt und unten verteilt. Man kann sich für eine solche Reform keinen dümmeren Zeitpunkt denken als jetzt. Und kaum einen ungeeigneteren Darsteller.

Der Literaturnobelpreis fällt in diesem Jahr skandalbedingt aus. Sind sie traurig?

Nee, ich hab ja dieses Jahr kein Buch geschrieben. Nächstes Jahr zwei rauszuhauen wird natürlich sportlich.

Der WDR-Skandal um sexualisierte Gewalt weitet sich aus. Erneut berichten Frauen von Übergriffen. Überrascht?

Geht ein Redakteur zur Chefin und sagt: Der andere Kollege belästigt Frauen. Ist er ein weißer Ritter des Feminismus? Oder isses Mobbing? Beneidenswerte Lage für die damalige Fernsehdirektorin – possierliches Erbe für ihren Nachfolger, der am Dienstag wiedergewählt werden sollte. Da lockt ein journalistischer Wirkungstreffer für die Enthüller, auch das schwingt in dem Tumult mit. Im neuen Fall erklären sechs Frauen im Spiegel, belästigt worden zu sein – 16 in einem Offenen Brief, dass nicht. Einer von inzwischen sieben Fällen. Dabei kann man hübsch pessimistisch fürchten, dass der WDR starke Frauen hat und als öffentlich-rechtliche Anstalt zwangsläufig Transparenz. Vulgo: Schlimm, was vorgefallen sein mag – schlimmer, wo gar nichts davon herauskommt.

Donald Trump hat die Taktik gewechselt und gibt nun zu, dass sein Anwalt Geld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels gezahlt hat – und dass er das Geld seinem Anwalt erstattet hat. Wen kümmert ’s?

Von der deutschen Film-Ikone Hans Albers stammt die Anekdote, wonach er nach einer rauschhaften Feier eine junge Prostituierte mit bis vors Hotelzimmer nahm und ihr dort 50 Mark in die Hand drückte: Sie möge etwas warten und dann zu den anderen hinuntergehen und einen geheimnisvollen Eindruck machen; ihm selbst sei das Ganze in seinem Alter zu beschwerlich geworden. Die anderen müssten das nicht wissen. Das hat Stil.

Bayern München ist aus der Champions League ausgeschieden, obwohl sie gegen Real Madrid die bessere Mannschaft waren. Hat Sie das Gejammer darüber auch so sehr genervt?

Unvergessen Philipp Lahms Statement nach der 5:2-Niederlage im Pokalfinale gegen Dortmund: „Wir waren doch die bessere Mannschaft!“ Ich freue mich auf den ersten Trainer, der das vor dem Spiel sagt. Wird die Bayern völlig demoralisieren.

Karl Marx wäre am Samstag 200 Jahre alt geworden. Linke pilgern in Scharen in seine Geburtsstadt Trier. Und Sie?

Marx war ja im Grunde der Peter Hartz des 19. Jahrhunderts: „Guter Mann eigentlich, nur was die Sozis dann draus gemacht haben …“

Und was machen die Borussen?

Wenn ein Torwart nach 452 Spielen in Rente geht, kann der Trainer ihn ehrenhalber ein letztes Mal vor heimischer Kulisse einwechseln. Oder der spielende Keeper kann sich theatralisch ans Knie fassen und die Einwechslung erzwingen. Oder die Geschäftsführung kann das schlicht anordnen und auf ihre Kappe nehmen. Oder man ist kollektiv herzlos, hat null Fingerspitzengefühl und verkauft den Schlamm als „echte Liebe“.

Fragen: Maha/Havo

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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