Die neue Lara Croft aus feministischer Sicht: Lara stöhnt weiter

Sie ist nicht nur eine der ersten weiblichen Hauptfiguren in Computerspielen, sondern auch Pop-Ikone und Werbeträgerin: Lara Croft wurde nach 15 Jahren komplett überarbeitet.

Der Riesenbusen ist geschrumpft und die Hosen sind lang: Die neue Lara Croft. Bild: promo

Wie kann eine erfolgreiche Computerspielserie nach 15 Jahren technischer Entwicklung vor dem Verschwinden bewahrt werden und der beliebte Star der Serie weiterentwickelt werden? Mit diesen Fragen musste sich das aktuell zuständige Entwicklungsstudio von Tomb Raider, Crystal Dynamics, auseinandersetzen. Sie haben sich für eine komplette Überarbeitung des Charakters von Lara Croft entschieden. Also die Gelegenheit, die feministischen Potentiale der Figur auszubauen und die peinliche Übersexualisierung zu verringern.

Anlässlich der großen Computerspielmesse E3 in Los Angeles wurde im Juni ein Trailer veröffentlicht, der erste Einblicke in das neue Spiel bietet. Komplett wird es im Frühjahr 2013 kauf- und spielbar sein. Ähnlich wie in der Verfilmung von „James Bond 007: Casino Royale“ mit dem neuen Darsteller Daniel Craig führt dieses Abenteuer zu den Anfängen der Heldin und fragt: Wie wird eine Uni-Absolventin zu einer abgebrühten Kämpferin, die sich als Archäologin auf der weltweiten Suche nach Schätzen durch unterschiedlichste Abenteuer klettert, kämpft und rätselt?

Karl Stewart, Global Brand Manager für Tomb Raider, sagt im Video-Interview zur Veränderung der Figur: „In dieser Ausgabe ist Lara Croft jung, ambitioniert und ein bisschen naiv. Sie hat nicht damit gerechnet in eine solche Situation zu kommen […], aber da ist etwas in ihr, das danach strebt diese knallharte Action-Adventure-Heldin zu werden. Aber zu diesem Zeitpunkt weiß sie das noch nicht. Sogar ihr Mentor Ross glaubt mehr an sie, als sie es selbst tut.“

Noch lange keine Gefahr für heterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit

Aber nicht nur im Hinblick auf ihre Charaktereigenschaften hat sich Lara Croft verändert: Ihr Aussehen ist nicht mehr so übertrieben sexualisiert, der berühmte Riesenbusen ist geschrumpft und sie trägt sogar eine lange Hose. Auf den ersten Blick eine Veränderung, die der frühen feministischen Kritik etwas entgegen kommt. Trotzdem ist Lara Croft weiterhin eine sehr ambivalente Frauenfigur, die zwar viel Deutungspotential für Spielerinnen beinhaltet, jedoch nie zur Gefahr für heterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit wird. Sie funktioniert auch im neuen Design weiterhin als Begehrensobjekt für männliche Spieler, die eine Beschützerrolle einnehmen können: Lara Croft zittert, hat Angst und einen (natürlich) männlichen Mentor und ist deutlich verletzlicher, als in den Vorgängerspielen. Außerdem wurde ihr schon bekanntes Porno-Stöhnen ausgebaut.

Ein Aspekt des Trailers sorgte jedoch für besondere Aufregung in feministischen Texten: Als Croft das erste Mal einen Menschen tötet, geschieht das aus einer Notwehrsituation heraus. Lara Croft kann nur knapp einer versuchten Vergewaltigung entgehen (ab Minute 2:15). Zwar ist es eine klassische Erzählung, dass Superheld_innen erst durch besonders harte Erlebnisse zu solchen werden. Aber warum muss es sexuelle Gewalt gegen Frauen sein? Warum erfordert das die Story? Es ist schlicht ein beliebtes und billiges Mittel eine Erklärung für Crofts Heldinnentum zu finden, sie aber gleichzeitig als verletzliche Frau zu konstruieren.

Wenn sie also nicht mehr durch ihr Aussehen als überweiblich erkennbar ist, muss das durch stereotyp weiblich-konnotierte Eigenschaften wie Ängstlichkeit und Verletzlichkeit ausgewogen werden. Und damit ist Lara Croft weiterhin eine Frauenfigur, die Geschlechternormen par excellence reproduziert.

Zur Begeisterung der Gender Studies

Aber nicht erst seit dieser Ausgabe interessieren sich Gender-Wissenschaftler_innen und Feminist_innen für die berühmte Frauenfigur. Schon um die Nullerjahre wurde die damalige Croft kontrovers diskutiert: Sie ist mit ihrem Aussehen nur Objekt männlichen Fetischs, so die einen. Endlich eine kämpfende, unabhängige und weibliche Hauptfigur in einem Videospiel, sagten die anderen. Die Medienwissenschaftlerin Astrid Deuber-Mankowsky schreibt in ihrem 2001 erschienen Essay zu Croft: „Sie ist Traum-Frau und weibliche Heldin, Pin-up-Girl und »Grrl« in einem. Damit bedient sie männliche ebenso wie weibliche Ermächtigungsphantasien.“

Auch Jutta Zaremba, aktuell wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fach Kunst und visuelle Medien an der Universität Flensburg, hat sich zu dieser Zeit in einem dreijährigen Forschungsprojekt mit verschiedenen Computerspiel-Heldinnen auseinandergesetzt und war auf der Suche, ob da mehr ist als reiner Fetisch für den männlichen Blick.

Im Interview unterscheidet sie zwischen drei Konstrukten von Weiblichkeit in Computerspielen: den romantisch-harmlosen Phantasiefiguren wie etwa Prinzessin Zelda, den übersexualisierten Kämpferinnen, für die Lara Croft lange Zeit als Vorzeigebeispiel diente und die die Mehrheit der Heldinnen in Computerspielen darstellen. Etwas verspätet kamen dann die brüchigen Individualistinnen hinzu, bei denen sowohl Aussehen als auch Hintergrundgeschichten realistischer sind. Es sind Weiblichkeitskonstrukte, die man aus erfolgreichen Serien wie Buffy kennt, die mehr Platz für Ambivalenzen bieten und zum Beispiel wider Willen Superkräfte besitzen. Die Transformation der Lara Croft für die neue Ausgabe des Spiels könnte mit einem Wechsel des Konstrukts von der übersexualisierten Kämpferin hin zur brüchigen Individualistin gedeutet werden, so Zaremba.

Vor kurzem kündigte auch die feministische Bloggerin Anita Sarkeesian eine Auseinandersetzung mit weiblichen Stereotypen in Computerspielen an, worauf eine Online-Hasskampagne gegen sie, genauso wie viel Unterstützung für ihr Projekt folgten. Ein Projekt, das die jetzt schon in die Jahre gekommene Forschung um aktuelle und leicht zugängliche Beobachtungen ergänzen wird.

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