Digitalsteuer steht vor dem Aus: EU-Staaten planen eigene Projekte

Immer mehr EU-Staaten widersetzen sich der Steuergerechtigkeit im Netz. Auch Finanzminister Scholz rückt davon ab. Aus Angst vor den USA?

Eine computeranimierte Hand zeigt auf eine Münze, die auf einer EU-Flagge liegt

War's das jetzt mit der EU-Digitalsteuer? Foto: imago/Christian Ohde

BRÜSSEL taz | Die von Frankreich und Deutschland versprochene Digitalsteuer steht vor dem Aus. Neben Irland und den Niederlanden widersetzt sich ein halbes Dutzend weiterer EU-Staaten dem Vorhaben, das für Steuergerechtigkeit im Internet sorgen soll. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) rückt immer weiter von dem Projekt ab – offenbar aus Angst vor Vergeltung durch die USA.

Beim Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag in Brüssel werden deshalb keine verbindlichen Beschlüsse mehr erwartet. Vielmehr zeichnet sich eine Beerdigung auf Raten ab. In einem ersten Schritt soll die Digitalsteuer auf Mitte 2020 verschoben werden. Das hatte Scholz gefordert, um eine weltweite Lösung im Rahmen der OECD – der Pariser Club der Industrieländer – möglich zu machen.

In der OECD sind jedoch auch die USA vertreten. Die Amerikaner haben bisher alle Vorstöße zur Besteuerung der US-Internetgiganten Google, Apple, Facebook und Amazon (GAFA) blockiert. Daran dürfte sich so schnell nichts ändern, auch wenn die EU nun Druck machen sollte. Dennoch fordert Scholz, erst einen OECD-Bericht zur Digitalsteuer abzuwarten, der im Sommer 2020 erwartet wird.

Doch selbst wenn es bei der OECD keine Fortschritte gibt, soll die Digitalsteuer in der EU nicht automatisch in Kraft treten, wie dies Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire fordert. Mehrere EU-Staaten widersetzen sich einem „Vorratsbeschluss“. Auch Scholz will sich alle Optionen offenhalten. Berlin wäre allenfalls für eine – unverbindliche – politische Erklärung zu haben, berichten EU-Diplomaten.

Unverständnis bei Genossen

Hinter den Kulissen in Brüssel sorgt dies für Ärger. Denn schon jetzt planen elf EU-Staaten ihre eigene, nationale Digitalsteuer. Dies könne zu Steuerungerechtigkeit und Wettbewerbsverzerrungen führen, warnt die EU-Kommission, die im Frühjahr einen Entwurf für alle 28 EU-Mitglieder vorgelegt hatte. Doch die Finanzminister überhörten die Warnung und legten den Entwurf zu den Akten.

Für dicke Luft sorgt auch das Vorgehen des deutschen Finanzministers. Olaf Scholz halte sich nicht an die Meseberger Erklärung, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron im Juni vorgelegt hatten, klagt Le Maire. Berlin und Paris hatten damals versprochen, bis Ende 2018 eine EU-Einigung über eine „faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft“ herbeizuführen.

Doch diese Einigung rückt nun in weite Ferne. Dabei ist die Digitalsteuer auch in Deutschland populär. Nach einer Emnid-Umfrage sind 75 Prozent der Deutschen und sogar 77 Prozent der SPD-Wähler dafür, dass große Internetunternehmen auf ihren Umsatz im jeweiligen EU-Land Steuern bezahlen. Scholz dürfte mit seinen Bremsmanövern also sogar bei seinen Genossen auf Unverständnis stoßen.

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