Diskussion um Hetzjagd in Chemnitz: Frontalangriff auf die Kanzlerin

Mit seinen Worten zu Hetzjagden wirft Hans-Georg Maaßen Merkel implizit vor, Unwahres zu sagen. Dabei gibt es für seine Behauptung keine Belege.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verfassungsschutzchef Hans-Geog Maaßen

Steht Merkels Flüchtlingspolitik ablehnend gegenüber: Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen Foto: dpa

Der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht darüber informiert, dass er Zweifel an den Informationen über rassistische Übergriffe in Chemnitz hat, bevor er damit zur Bild-Zeitung gegangen ist. „Es hat kein Gespräch der Bundeskanzlerin mit Herrn Maaßen in den letzten Tagen dazu gegeben“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Dem Innenministerium habe zwar die Information vorgelegen, es habe bislang aber keine Belege für Maaßens Aussage erhalten, sagte Ministeriumssprecherin Annegret Korff. Das Ministerium hat nun beim Verfassungsschutz einen Bericht angefordert. Eine Bewertung wollte Korff nicht abgeben. Die Auswertung des Videomaterials durch Ermittler der sächsischen Polizei sei noch nicht abgeschlossen.

Maaßen hatte Bild gesagt, dem Verfassungsschutz lägen „keine belastbaren Informationen darüber vor, dass solche Hetzjagden stattgefunden haben“. Den Begriff „Hetzjagd“ hatten unter anderem Merkel und auch ihr Sprecher Steffen Seibert benutzt. Man kann die Äußerungen Maaßens also durchaus als Frontalangriff auf die Kanzlerin verstehen. Implizit wirft Maaßen ihr vor, die Unwahrheit gesagt zu haben.

Über ein Video, das Übergriffe auf Migranten zeigen soll, sagte Maaßen zudem: „Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist.“ Nach seiner vorsichtigen Bewertung sprächen „gute Gründe dafür, dass es sich um gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken.“ Zur Grundlage für seine Einschätzung sagt er nichts.

Steht Maaßen der AfD nahe?

Seibert, der in der Regierungspressekonferenz mit Fragen bestürmt wurde, äußerte sich zu den meisten davon nicht. Er selbst steht in der Kritik, den Begriff „Hetzjagd“ vielleicht vorschnell verwendet zu haben. Als er gefragt wurde, ob Maaßen noch das Vertrauen der Kanzlerin habe, antwortete er: „Herr Maaßen hat eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe.“ Mehr nicht. Von Vertrauen sprach Seibert explizit nicht. Man darf das wohl so verstehen, dass dieses Vertrauen mehr als angekratzt ist. Die Sprecherin des Innenministeriums dagegen beantwortete die gleiche Frage auf Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bezogen, mit einem knappen „Ja“.

Der Innenausschuss des Bundestags will sich in einer Sondersitzung mit den umstrittenen Aussagen von Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen zu den Vorgängen in Chemnitz befassen. Als Termin sei Montag, der 17. September, ins Auge gefasst worden, sagte Ausschussmitglied Armin Schuster (CDU) den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung.

Die SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles kündigte zudem an, dass ihre Partei das Parlamentarische Kontrollgremium anrufen werde. Dort werde Maaßen in der kommenden Woche Gelegenheit haben, „seine Behauptungen zu hinterlegen“, sagte sie am Freitag nach einer Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin. (afp, dpa)

Maaßen, der Merkels Flüchtlingspolitik ablehnend gegenübersteht, ist seit sechs Jahren Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Nachdem das Versagen der Behörde in Zusammenhang mit den zehn Morden des rechtsterroristischen NSU bekannt wurde, sollte Maaßen das Amt aus der Krise führen.

Doch inzwischen steht er selbst immer stärker in der Kritik. Zuletzt waren seine Treffen mit AfD-PolitikerInnen bekannt geworden, darunter der früheren AfD-Chefin Frauke Petry. Franziska Schreiber, früher im Landesvorstand der sächsischen Jugendverbands der AfD und inzwischen aus der Partei ausgetreten, hatte behauptet, Maaßen habe Petry Ratschläge gegeben, wie eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu vermeiden sei.

Innerhalb der Verfassungsschutzbehörden hatte sich Maaßen stets gegen Vorstöße gewehrt, zu prüfen, ob die AfD beobachtet werden sollte. Die Frage, ob Maaßen der AfD nahestehe, kam auf. Die Rechtspopulisten dürften die Einlassungen Maaßens in Bild auf jeden Fall gefreut haben.

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