Dopingsperre für Russland: Kurz vorm Ziel gestoppt

Das Urteil des Sportgerichtshofs ebnet den Weg für einen Komplettausschluss Russlands in Rio. Die Entscheidung liegt beim IOC-Präsidenten.

Eine Frau fliegt verdreht über eine Hürde

Auch Darja Klischina hat keine Zulassung für die Olympischen Spiele erhalten Foto: Imago / Itar-Tass

LAUSANNE taz | Die sportpolitische Entscheidung wurde im Inneren eines kleinen Chateaus in Lausanne gefällt. Hinter der imposanten Holztür des Sporttribunals CAS kamen drei unabhängige Richter zu der Einschätzung, die Klage von 67 russischen Leichtathleten auf Zulassung zu Olympia abzuweisen. Damit ist der juristische Weg auch frei für einen Komplettausschluss russischer Sportler anderer Disziplinen von den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro.

Vor der Tür, im Schlosshof, hatten etwa ein Dutzend Fernsehsender ihre Kameras aufgebaut. Der Andrang war wesentlich kleiner als noch beim Olympischen Summit im Juni diesen Jahres, der der jetzigen Entscheidung vorausgegangen war. Dort hatte sich das Internationale Olympische Komittee (IOC) hinter die Entscheidung des Weltleichtathletikverbands IAAF gestellt, den russischen Leichtathletikverband zu suspendieren und damit einen Olympia-Ausschluss für russische Leichtathleten auszusprechen.

Hintergrund der Entscheidung waren Hinweise auf staatlich kontrolliertes Doping in Russland gleich zweier Kommissionen des Weltantidopingverbands Wada. Gegen diesen Ausschluss hatten sich 68 Sportler und Sportlerinnen mit individuellen Anträgen gewandt, die prominenteste war Stabhochspringerin Jelena Isinbajewa. IAAF und IOC hatten diese Hintertür aufgelassen. Athleten, die nachweisen konnten, dass sie nicht von der in Misskredit gebrachten russischen Antidopingagentur Rusada kontrolliert worden waren und dass sie über jeden Zweifel hinweg sauber waren, konnten da auf eine Zulassung hoffen. Doch nur der Weitspringerin Darja Klischina erteilte die neu eingerichtete Antidopingkommission der IAAF seinen Segen. Die anderen 67 Athleten und Athletinnen zogen vor den CAS.

Die drei Richter berieten am 19. Juli, einen Tag nach der Vorstellung des „McLaren-Reports“. Der hatte bisher bekannte Vorwürfe über die Zustände des russischen Antidopingsystems bestätigt und neue Zusammenhänge aufgedeckt. Wichtigster davon war ein gezieltes Programm zum Vertuschen positiver Proben im Moskauer Laboratorium von 2011 bis 2015. Mindestens 312 russische Athleten und acht Ausländer – aller Wahrscheinlichkeit nach ausländische Profis in den obersten Ligen der Mannschaftssportarten – profitierten nach aktuellem Stand davon.

„Die Tür ist offen“

Ob die Ergebnisse des „McLaren-Reports“ Einfluss auf die Entscheidung des CAS bezüglich der 67 Leichtathleten hatten, ist unklar. Aufgabe des CAS war es schließlich nicht, über die Situa­tion des russischen Sportsystems generell zu urteilen. Vielmehr ging es um eine Überprüfung der Entscheidung der IAAF.

Das Urteil fiel deutlich aus. „Das Schiedsgericht hat die Gültigkeit der Entscheidung von der IAAF bestätigt. Dies geschah unter Anwendung der der Regeln 22.1 und 22.1A der IAAF Wettkampfregeln, die besagen, dass Athleten, deren nationale Verbände von der IAAF suspendiert sind, nicht zuzulassen sind für Wettkämpfe unter Obhut der IAAF“, heißt es im Statement des CAS. Das Schiedsgericht kritisierte allerdings auch das sehr kurze Zeitfenster, in dem Athleten ihre potenzielle Sauberkeit darstellen konnten. „Die Umstände ließen diesen Athleten de facto keine Möglichkeit, diese Beweise zu erbringen“, kritisierte CAS-Generalsekretär Mathieu Reeb die Regelung. Reeb war der einzige CAS-Vertreter, der aus dem kleinen Chateau heraustrat und sich einer improvisierten Pressekonferenz im Hof des Anwesens stellte.

Auf die Bedeutung der Entscheidung angesprochen, mein­te er nur: „Die Tür für das IOC ist jetzt offen.“ Die Herren Olympias wollen sich allerdings erst am Sonntag mit der Materie beschäftigen. Sie hatten angekündigt, vor einer Entscheidung über den kompletten Olympia-Ausschluss Russlands erst die CAS-Entscheidung abwarten zu wollen. Die liegt nun da. Und sie bestätigt die Handlungsweise des Weltleichtathletikverbands. Zu erwarten ist, dass sich IOC-Präsident und Putin-Freund Thomas Bach über die Ausmaße des Dopings in Russland erneut sehr bestürzt zeigt, die Entscheidung des CAS lobend erwähnt – und es dann den einzelnen Fachverbänden überlässt, die Entscheidungen über den Ausschluss der russischen Sportler zu treffen.

Letztere fühlen sich derzeit gar nicht mehr vom Weltsport verstanden. Als eine „Beerdigung der Leichtathletik“ und „rein politische Entscheidung“ bezeichnete Stabhochsprung-Olympiasiegerin Isinbajewa das CAS-Urteil. Sie prognostizierte: „Die maßgebliche Entscheidung wird von Thomas Bach kommen.“ Der Chef des IOC kann sich daher vor Einladungen und offenen Türen gar nicht mehr retten. Und er muss nun eine Entscheidung treffen: dem Sportgerichtshof CAS zu folgen – oder den russischen Interessen.

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