Dorothee Bär über Jamaika-Sondierungen: „Falsch, jetzt rote Linien zu ziehen“

Ein zähes Ringen erwartet die CSU-Politikerin Dorothee Bär von den anstehenden Jamaika-Sondierungen. Sie ist dabei der Joker.

Angela Merkel zwischen Horst Seehofer und Volker Kauder

Noch ist Merkel nahezu umringt von Männern – das neue Kabinett will sie aber quotieren Foto: reuters

Frau Bär, an diesem Mittwoch beginnen die Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen. Wo erwarten Sie die größten Probleme?

Dorothee Bär: Zunächst mal bin ich froh, dass allen klar ist, dass es nicht ganz einfach wird. Als vor acht Jahren Schwarz-Gelb verhandelt wurde, taten alle, als sei das die Wunschkoalition schlechthin. Dabei waren das nicht nur konfliktfreie Jahre. Deswegen ist es gut, dass alle wissen, wie ernst die Lage ist.

Worum muss es zuerst gehen?

Um ein Abtasten, was überhaupt möglich ist. Und um die Frage: Was können, wollen, müssen wir in den nächsten vier Jahren durchsetzen – und was eben nicht. Ich stimme da Angela Merkel zu: Es wäre falsch, wenn jetzt jeder erst mal rote Linien zieht. Aber klar ist, es wird in bestimmten Bereichen ein zähes Ringen geben. Etwa bei der inneren Sicherheit oder beim Thema Migration. Aber es wird sicher auch Bereiche geben, die wir alle zusammen ganz leicht abräumen können, Zukunftsthemen wie die Digitalisierung, Gesundheitspolitik. Aber alles geht eben nicht in vier Jahren, das müssen wir uns alle klarmachen. Und: wir werden nicht um jeden Preis von unseren Vorstellungen abrücken

Es geht also um eine Vernunftehe?

Naja, das hat man über die Große Koalition auch immer gesagt. Aber das war so nicht. Das war eher eine Zwangsehe.

Die Union geht mit 29 Vertretern in die Gespräche, 18 CDUler und elf CSUler. Welche Rolle spielen Sie da?

Ich bin als Joker dabei. Immer wenn jemand nicht kann, springe ich ein. Bei so vielen Beteiligten kann ja nicht immer jeder.

Dorothee Bär, 39, ist Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium. Die Fränkin sitzt seit 15 Jahren für die CSU im Bundestag, seit 2011 ist sie Vizegeneralsekretärin ihrer Partei. Bär ist verheiratet und Mutter von drei Kindern.

Warum wird Bayerns Finanzminister Markus Söder nicht dabei sein?

Die Regelung, die vom Parteivorsitzenden getroffen wurde, schaut so aus, dass das Fünferteam, das die ersten Verhandlungen mit der CDU-Seite geführt hat, dabei ist. Hinzu kommen die fünf Stellvertreter von Horst Seehofer plus der Entwicklungshilfeminister Gerd Müller. Dann sind unser Parlamentarischer Geschäftsführer und ich dabei. Das orientiert sich an den Funktionen innerhalb der Partei. Bei möglichen Koalitionsverhandlungen wäre er definitiv involviert. Da ist der bayerische Finanzminister unverzichtbar.

Die Kanzlerin hat angekündigt, diesmal ein nach Männern und Frauen quotiertes Kabinett präsentieren zu wollen. Wie sehen Sie die Chancen, dass Angela Merkel das hinkriegt?

Ich finde gut, dass die Kanzlerin das gesagt hat. Die Frage ist natürlich, wie sie da in die anderen drei Parteien hineinwirken kann. Ich denke, sie hat das auf ihre CDU bezogen gemeint.

Sie spricht also als Regierungschefin nicht für die Fraktionsgemeinschaft aus CDU und CSU?

Sie kann nicht für die CSU sprechen. Natürlich wird das im Einvernehmen besprochen, aber entscheiden kann sie für uns nicht. Das war im Übrigen auch noch nie anders. Aber schon den Plan zu haben, auf der Regierungsbank Frauen nicht nur angemessen, sondern hälftig Stimme und Gesicht zu verleihen, finde ich richtig. Das haben andere schon vorgemacht, etwa der kanadische Premierminister.

Jetzt gibt es ja bei der CSU nicht gerade Unmengen von Frauen in Führungspositionen.

Unsere Partei muss da natürlich auch einen Schritt weitergehen und sich kümmern. Wie will ich denn junge Frauen dafür begeistern, in die Politik zu gehen, wenn sie sich nur von älteren Männern repräsentiert sehen.

Im nächsten Bundestag sitzen nur noch 30 statt wie bisher 36 Prozent Frauen. Der Unionsfraktion gehören 20 Prozent Frauen an, noch weniger als bei der Jungspartei FDP. Wie bewerten Sie das?

Ganz schlecht ist das. Wir haben leider Gottes sehr viele gute Kolleginnen verloren, die alle über Listenplätze im Bundestag waren. Darunter sind viele junge Frauen, viele Mütter, also solche, die wir dringend im Parlament brauchen. Gerade gestern habe ich mir in der Landesgruppe gedacht: Jetzt sind wir von 46 nur noch acht Frauen. Nicht gut. Das muss bei der nächsten Wahl deutlich besser werden.

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