Drehbuchautoren-Trio „Die HaRiBos“: Die Drei aus der Schreibstube

Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad sind maßgeblich an der neuen deutschen Serienwelle beteiligt. Doch im Rampenlicht stehen sie selten.

Drei Männer, das Drehbuchautoren-Trio "Die HaRiBos"

Die Köpfe hinter den Serien: Das Autorentrio (v.l.) Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad Foto: Frederic Kern/FuturexImage

Deutscher Fernsehpreis 2019 in Köln. Journalisten und Fotografen stehen am roten Teppich, um die Stars der hiesigen Medienwelt abzufangen. Ein Branchenmagazin streamt live, doch die Promidichte hält sich noch in Grenzen. Hilflos sucht die Kamera nach Interviewpartnern und bleibt am Rand bei drei Männern mittleren Alters hängen.

Die Kommentatoren sind verunsichert: „Wer kennt diese Menschen?“ Sie suchen weiter und identifizieren den Geschäftsführer des Pay-TV-Senders TNT Serie, Hannes Heyelmann, und den Schauspieler Kida Khodr ­Ramadan. Nun wird den Kommentatoren klar: „Da ist der Block von ‚4 Blocks‘ “. Darunter auch das beschriebene Männertrio: Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad, mit den Anfangsbuchstabe ihrer Vornamen oft auch einfach die HaRiBos genannt. Sie sind die Erfinder und Autoren der nominierten Gangsterserie über einen arabischen Clan aus Berlin-Neukölln, die den kleinen Sender vor zwei Jahren zu einem internationalen Player hat werden lassen.

Dass „4Blocks“ zwar zum kleinen Popkulturphänomen geworden ist, Hackfort, Kropf und Konrad als maßgebliche Schöpfer der Serie aber selbst von Medienexperten nicht erkannt werden, ist bezeichnend für den Status deutscher Drehbuchautoren. Immer noch. Ihre Kollegen auf dem internationalen Serienmarkt gehören ihre längst zu den Stars der Branche. Sie erfinden die Geschichten und Figuren, sie konzipieren und schreiben die Storys, die über Folgen und Staffeln hinweg weltweit Fans begeistern.

In Teilen der deutschen Fernsehlandschaft galten Drehbuchautoren lange eher als Zuarbeiter, weil im hiesigen System die eigentliche Kreativarbeit eher an anderer Stelle angesiedelt wird, wie Richard Kropf resümiert: „Ein Satz, den wir früher oft gehört haben lautete: Vielen Dank für die Drehbücher, jetzt schauen wir mal, was der Regisseur daraus macht.“

In der Telenovela-Mittagspause

Diese Haltung scheint sich langsam zu ändern – seit der Serienboom auch bei hiesigen Sendern und Produktionsfirmen angekommen ist, die sich nun internationalen Ansprüchen anpassen müssen. Doch die Vereinbarung Kontrakt18, die mittlerweile über 200 AutorInnen unterschrieben haben, um sich in ihren Verträgen künftig mehr kreative Mitspracherechte zusichern zu lassen, zeigt, dass noch viele Streitfragen ungeklärt sind.

Hackfort, Kropf und Konrad gehören zu den ersten Unterzeichnern des Papiers, denn das autorenzentrierte US-Modell ist ihr Vorbild, seit sie sich vor neun Jahren als kreatives Schreibteam zusammengetan haben. Konrad, Jahrgang 1968, hat zuvor Hörspiele und Fernsehserien für Kinder entwickelt. Der 1979 geborene Kropf begann seine Karriere als Schauspieler, und Hackfort, Jahrgang 1970, gab mit seinem Kinofilm „Junimond“ 2002 sein Debüt als Regisseur. Kennengelernt haben sie sich bei der Arbeit an der Telenovela „Anna und die Liebe“, die von 2008 bis 2012 in Potsdam-Babelsberg für Sat.1 produziert wurde.

Als der globale Streaming-anbieter Netflix im Herbst 2014 nach Deutschland kommt, sucht man plötzlich auch hierzulande in der Branche überall nach neuen und aufsehenerregenden Serien­stoffen

Als damals der Hype um US-Qualitätsserien wie „Breaking Bad“ und „Mad Men“ in Deutschland Serienfans und Feuilletons erreicht, beginnen sie damit, in den Mittagspausen und nach Feierabend eigene Stoffe im Stile dieser neuen seriellen Erzählungen zu entwerfen. Sie sind sich sicher, dass die Welle auch den deutschen Markt erreichen wird. Und dann wollen die HaRiBos ganz vorne mit dabei sein.

Die Chancen stehen nach 2010 allerdings schlecht. Das ZDF setzt die progressive Polizeiserie „KDD – Kriminaldauerdienst“ nach drei Staffeln ab, und in der ARD wird Dominik Grafs groß angelegtes Gangsterepos „Im Angesicht des Verbrechens“ zum Quotenflop, nachdem die Produktionsfirma zuvor bereits Konkurs anmelden musste. Für Senderverantwortliche und Produzenten ist das der Beweis, dass deutsche Zuschauer nicht durch komplexe Erzählstrukturen und düstere Figuren überfordert werden wollen.

Mit langem Atem zum Erfolg

Das Trio kommt hierzulande mit seiner ersten großen Storyidee nicht weiter, obwohl es sogar Zuspruch aus dem Ausland gibt: „Aus England kam damals sofort ein positives Signal“, sagt Konrad. „Doch weil die Geschichte nun einmal in Deutschland verortet war und man dafür eine deutsche Produktion und einen deutschen Sender benötigt, ist das Ganze damals dann versackt.“

So bleibt Hackfort, Kropf und Konrad wenig anderes übrig, als Vorabendkrimireihen wie „Koslowski und Haferkamp“ oder „SOKO Leipzig“ zu bedienen. Doch nebenbei entwickeln sie weiter die Serienstoffe, an deren Zukunft sie glauben oder zumindest glauben wollen. Und tatsächlich: Als der globale Streaminganbieter Netflix im Herbst 2014 nach Deutschland kommt, sucht man plötzlich auch hierzulande in der Branche überall nach neuen und aufsehenerregenden Serien­stoffen.

Der lange Atem von Hackfort, Kropf und Konrad zahlt sich aus: Innerhalb einer Woche erhalten sie 2015 von dem Onlineriesen Amazon den Zuschlag für die Entwicklung der ersten Eigenproduktion, „You Are Wanted“ – einer Thrillerserie mit Schauspieler und Regisseur Matthias Schweighöfer als Familienvater, der von Hackern gejagt wird –, sowie der außergewöhnlichen Gangsterserie „4 Blocks“ für TNT Serie.

„4 Blocks“ entwickelt sich zum Kritikerliebling und Geheimtipp. „You Are Wanted“ kann laut Amazon zwar mit starken Abrufzahlen überzeugen, wird für Dramaturgie und Handlung ­jedoch mit Häme überschüttet. Die Kritiken seien nicht das Problem gewesen, sagt Hackfort, „was wehgetan hat, ist vielmehr die Tatsache, dass wir in der Öffentlichkeit mit etwas identifiziert wurden, was wir so nicht geschaffen haben. Wir wollten eine ganz andere Geschichte erzählen. Während der Produktion haben wir permanent auf die Fehler und die – aus unserer Sicht – unzureichende Erzählung hingewiesen.“

A „fucking masterpiece“

An der Fortsetzung von „You Are Wanted“ beteiligen sie sich nicht mehr, dafür feiern sie mit „4 Blocks“ große Erfolge. Die Serie gewinnt Preise, wird ins Ausland verkauft und wird von dem britischen Entertainer Ricky Gervais auf Twitter als „fucking master­piece“ bezeichnet. Den Tweet hat Kropf ausgedruckt und gerahmt neben seinen Schreibtisch gehängt.

Bei dem Namen Harald Schmidt hätten sie einfach nicht Nein sagen können, sagen die Autoren, die auch die Um­setzung der Drehbücher von „Labaule und Erben“ übernehmen, einer Me­diensatire nach der Idee von Schmidt, die im Januar im SWR ausgestrahlt wurde. Zu einem Treffen mit Schmidt sei es dabei zwar nicht gekommen, aber die Zusammenarbeit mit dem Sender sei äußerst produktiv gewesen.

„Ein wunderbares Kleeblatt“, sagt „Labaule“-Produzent Michael ­Souvignier über das ­Autorenteam. „Höchst kreativ, zu­verlässig und präzise wie ein Uhrwerk“ seien sie, gerade angesichts der schwierigen Produktionsumstände: „Es gab einen konkreten Sendetermin, und ab da lief die Zeit rückwärts. Ein Wahnsinn. Die ­HaRiBos haben es geschafft. Großartig auch noch. Und mit sehr viel Spaß, für alle Beteiligten.“

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Aktuell bereitetet das Trio die dritte Staffel von „4 Blocks“ vor und entwickeltet eine Serie über die Kaufhaus­familie Wertheim. Ein Zeitbild, „mit Fokus auf das jüdische Leben um die Jahrhundertwende“, sagt Konrad. „Im Kern unserer Serien stehen häufig familiäre Beziehungen, die sich entwickeln und die neu entstehen“, sagt Kropf. „Es ist egal, in welches Milieu man geht oder welches Sujet man bedient – bei einer Familienstruktur kann jeder Zuschauer an einer der Figuren andocken.“ Ausnahmsweise allein hat er gerade „Das Wichtigste im Leben“ geschrieben, eine Familienserie mit Jürgen Vogel, die noch 2019 bei Vox laufen soll.

Auf dem roten Teppich mögen die HaRiBos nicht erkannt werden, dafür wird ihnen dieser mittlerweile immer häufiger von Senderverantwortlichen ausgerollt, um sie für eine Zusammenarbeit zu gewinnen.

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