Druck der FDP wirkt: So ein schöner Armutsbericht!

Die Regierung hat missliebige Aussagen zur sozialen Ungleichheit entfernt oder auf die hinteren Seiten verbannt. Die Einkommensschere schließt sich angeblich.

Reicht das Geld noch für die Suppe? Bei den unteren Einkommensgruppen sinken die Löhne. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein glänzendes Zeugnis sollte es sein: Mit dem Armuts- und Reichtumsbericht wollte Sozialministerin Ursula von der Leyen die Erfolge der schwarz-gelben Regierungsarbeit zeigen. Doch bei der Vorstellung am Mittwoch musste sich die CDU-Politikerin vor allem für fehlende Sätze in dem Regierungsbericht rechtfertigen.

Der Vorwurf: Auf Druck des FDP-Wirtschaftsministers Philipp Rösler seien unangenehme Ergebnisse entfernt worden, etwa zur ungleichen Verteilung von Privatvermögen in Deutschland. Von der Leyen wiegelte ab: „Der größte Teil ist drin.“

Ende vergangenen Jahres waren erstmals brisante Änderungen im regierungsinternen Entwurf bekannt geworden. Sozialverbände und Oppositionsparteien reagierten empört. Die Regierung musste daraufhin einige Änderungen einräumen, betonte jedoch auch, dass die Abstimmung zwischen den Ministerien ein „normaler Vorgang“ sei.

Herausgekommen ist nun ein Bericht, der mehrere kritische Passagen aus einem früheren Entwurf auf die hinteren Seiten verbannt, rausgestrichen oder gar ins Gegenteil verkehrt hat. Wo vorher noch die Einkommensspreizung zugenommen haben soll, heißt es nun: „Die Ungleichheit der Einkommen nimmt derzeit ab.“ Von der Leyen erklärte das mit neueren Daten.

„Äußerst selektiv vorgegangen“

Allerdings zeigt die Grafik im Bericht, dass der leichte Trend zur ausgewogeneren Verteilung bereits im Jahr 2005 begonnen haben soll. Die Ministerin selbst formulierte es vorsichtiger: „Aktuell ist das Auseinanderdriften der Einkommen gestoppt.“ Der Paritätische Gesamtverband kritisierte hingegen, dass die Regierung bei der Berücksichtigung neuerer Daten „äußerst selektiv vorgegangen“ sei.

Ganz gestrichen wurde im Bericht die Aussage, dass zunehmende Einkommensunterschiede das „Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung“ verletzen.

Weniger als 7 Euro Stundelohn

Um die Regierungsarbeit in ein besseres Licht zu rücken, wird in dem Report auch großzügig interpretiert: Die sinkenden Reallöhne in den unteren Einkommensgruppen seien „Ausdruck struktureller Verbesserungen“ und somit positiv zu bewerten. Viele Erwerbslose und Teilzeitarbeiter hätten „eine Vollzeitbeschäftigung im unteren Lohnbereich neu aufgenommen“.

Die wohl anschaulichsten Zahlen zu Niedriglöhnen sind hingegen aus der für Politiker wichtigen Zusammenfassung verschwunden und lassen sich jetzt nur noch aus einem Diagramm auf Seite 336 ablesen: Mehr als vier Millionen Menschen und damit 12 Prozent aller Beschäftigten verdienen weniger als 7 Euro pro Stunde. Mehr als eine Million Erwerbstätige bekommen nicht mal 5 Euro.

Auch die „sehr ungleiche Verteilung der Privatvermögen“ findet sich nun im hinteren Teil des Berichts – und zwar an einer Stelle, in der es um Unterschiede zwischen Ost und West sowie zwischen verschiedenen Altersgruppen geht.

Immerhin: In der Zusammenfassung findet sich ein Balkendiagramm, welches zeigt, dass die Hälfte der Bevölkerung über gerade mal 1 Prozent des Vermögens verfügt, während das reichste Zehntel mehr als die Hälfte besitzt. Die Daten stammen allerdings aus dem Jahr 2008.

SPD und Caritas für höhere Steuern

Von der Leyen waren bei der Vorstellung folgende Punkte wichtig: Die Langzeitarbeitslosigkeit sei zurückgegangen, die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eine „absolute Erfolgsgeschichte“, und zudem gebe es eine Viertel Million weniger Kinder, die von Hartz IV leben. Das seien Erfolge von Union und FDP.

Die SPD kritisierte hingegen die Regierungspolitik. Die sozialpolitische Sprecherin Annette Kramme forderte als Reaktion auf die Zahlen im Regierungsbericht „eine vernünftige Erbschaft- und Vermögensteuer sowie einen angemessenen Spitzensteuersatz“.

Auch der katholische Caritasverband sprach sich für „gezielte Steuererhöhungen auf hohe Einkommen und Vermögenserträge“ aus.

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