E-Mail-Affäre bei US-Demokraten: Parteichefin kündigt Rücktritt an

Der Parteivorstand der US-Demokraten soll Wikileaks zufolge den Vorwahlkampf von Bernie Sanders bewusst sabotiert haben. Die Chefin zog nun Konsequenzen.

Eine Frau an einem Rednerpult fährt sich mit der Hand durch die Haare

Kündigte ihren Rücktritt an: die Parteichefin der US-Demokraten Debbie Wasserman Schultz Foto: reuters

WASHINGTON/PHILADELPHIA afp/ap/dpa | Kurz vor Beginn des Parteitages in Philadelphia hat ein Skandal um massive Voreingenommenheit des Parteivorstandes im Vorwahlkampf die US-Demokraten erschüttert. Demnach haben Mitglieder anscheinend sogar aktiv versucht, das Rennen des linksliberalen Senators Bernie Sanders gegen Hillary Clinton zu unterlaufen.

Parteichefin Debbie Wasserman Schultz kündigte am Sonntag an, dass sie nach der viertägigen „Convention“, auf der Clinton offiziell zur Präsidentschaftskandidatin gekürt werden soll, zurücktreten wird. Ihre Rolle bei dem am Montag beginnenden Mammuttreffen mit mehr als 4.700 Delegierten und 50.000 Gästen soll massiv beschnitten werden. Aber sie wolle die Veranstaltung noch als Parteivorsitzende formell eröffnen und auch beenden, betonte sie. Fraglich erschien, ob das Sanders und seinen Anhängern ausreicht.

Die Enthüllungsplattform Wikileaks hatte am Freitag mehr als 19.000 E-Mails veröffentlicht, die sieben Mitglieder der Parteiführung versendet oder erhalten hatten. Die Nachrichten könnten die mühsam erreichte Einheit der Partei beeinträchtigen und den Republikanern Wahlkampfstoff liefern.

Das Sanders-Lager forderte am Samstag Aufklärung. Die Parteiführung der Demokraten müsse gemäß ihrer Satzung in den Vorwahlen neutral bleiben, sagte Sanders' Wahlkampfleiter Jeff Weaver dem Sender ABC. „Sie war es aber ganz eindeutig nicht.“ Die E-Mails legten den Verdacht nahe, die Parteiführung habe „ihr Gewicht für Clinton in die Waagschale geworfen“. Die Verantwortlichen müssten sich erklären, forderte Weaver.

Keine Erinnerung an die Mails

In einer von Wikileaks veröffentlichten E-Mail vom 5. Mai fragt der Finanzvorstand der Partei, Brad Marshall, ob jemand eine namentlich nicht genannte Person, mutmaßlich Sanders, in den konservativen Bundesstaaten Kentucky und West Virginia nach seinen religiösen Überzeugungen fragen könne. „Glaubt er an Gott?“, heißt es in der E-Mail. „Ich glaube, ich habe gelesen, er sei Atheist.“ Das Hervorheben dieses Umstands könnte beim Wahlergebnis in den religiösen Bundesstaaten „einige Prozentpunkte Unterschied machen“.

Marshall sagte nun der Nachrichtenseite „Intercept“, er könne sich an diese E-Mails nicht erinnern. Die E-Mail müsse sich auch nicht unbedingt auf Sanders beziehen, sondern könnte auch einen seiner Unterstützer gemeint haben.

Wikileaks veröffentlichte außerdem eine E-Mail vom 21. Mai, in der die Vorsitzende der Demokratischen Partei, Debbie Wasserman Schultz, die Kandidatur von Sanders für aussichtslos erklärt. In dem E-Mail-Wechsel ging es um Sanders‘ Ankündigung, er würde Wasserman Schultz nach seiner Wahl zum Präsidenten von ihrem Posten ablösen. „Das ist eine alberne Geschichte“, schrieb Wasserman Schultz. „Er wird nicht Präsident werden.“

Sanders war als völliger Außenseiter in das Nominierungsrennen gegen die haushohe Favoritin Hillary Clinton gestartet. Mit seinen Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und Zähmung der Finanzmärkte hatte er jedoch rasch eine breite Anhängerschaft vor allem unter jungen linksgerichteten Wählern hinter sich versammelt und in einer Reihe von Bundesstaaten die Vorwahlen gewonnen.

Clinton setzt nun darauf, dass der Senator seine Millionen von Anhängern in ihr Lager einbringt. Am Montag beginnt der Parteitag, der sie offiziell zur Präsidentschaftskandidatin machen soll.

Nominierungsparteitage in einem Präsidentenwahljahr sind bei den großen US-Parteien eigentlich als Jubelfeste angelegt, bei denen sich die Partei demonstrativ hinter ihren in Vorwahlen herauskristallisierten Kandidaten stellt. Schon bei den Republikanern bei der Kür ihres Kandidaten Donald Trump hatte das in der vergangenen Woche nicht richtig funktioniert; tiefe Gräben in der Partei, die es wegen Trumps Persönlichkeit gibt, wurden nicht zugeschüttet, sondern sogar vertieft: Trumps hartnäckigster Rivale bei den Vorwahlen, Ted Cruz, verweigerte ihm sogar öffentlich die obligatorische Empfehlung und Unterstützung.

Sanders unglücklich über Clintons Vize

Die E-Mail-Affäre und ein generelles Unbehagen der Sanders-Anhänger ließen nun auch Uneinigkeit bei den Demokraten zutage treten. Durch Philadelphia zogen am Sonntag Tausende Sanders-Anhänger und skandierten: „Zur Hölle nein, DNC (Demokratischer Nationaler Parteitag), wir stimmen nicht für Hillary!“

Sanders sagte im ABC-Interview, er habe die ganze Zeit schon geahnt, dass das Partei-Establishment gegen ihn arbeite. Nun sehe er das bestätigt. „Ich bin nicht geschockt, aber sehr enttäuscht“, sagte er. Unter anderem habe es in einer Mail von einem Mitglied des Organisationskomitees geheißen, es solle geprüft werden, ob Sanders' Glaube gegen ihn verwendet werden könne.

Sanders zeigte sich auch unglücklich über Clintons Entscheidung über ihren Vizekandidaten. Tim Kaine und er seien politisch nicht einer Meinung, Kaine sei konservativer als er, sagte Sanders. Er hätte sich die liberale Demokratin Elizabeth Warren als Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin gewünscht.

Sanders hatte einige der Vorwahlen überraschend gegen Clinton gewonnen. Die Ex-First Lady geht in den am Montag beginnenden Nominierungsparteitag allerdings mit einem gewaltigen Stimmenvorsprung ins Rennen. Einige Parteimitglieder sagten, das Parteikomitee könne die E-Mails nicht ignorieren. Wie sie an die Öffentlichkeit gelangen konnten, ist noch unklar. Clinton dürfte am Dienstag auf dem Nominierungsparteitag offiziell zur Kandidatin der Demokraten für die Präsidentenwahl am 7. November gekürt werden.

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