EGMR-Urteil zu Sex und Frauen über 50: Heiße Mütter wollen dich

Wann hört der Sex auf? Richter in Portugal fanden: Bei Frauen im Alter von 50. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sagt: nie. Recht so.

Zwei alte Menschen liegen im Bett

Sex mit 90? Warum nicht? Filmszene aus „Wolke Neun“ Foto: dpa

Sex ist ein Wert an sich. Auch für Menschen über 50. Sogar für Frauen. Da schau einer an.

Was so banal klingt, scheint jedoch alles andere als selbstverständlich zu sein. Jedenfalls für ein paar portugiesische männliche Richter. Die sind nämlich der Meinung, dass es nicht so schlimm sei, wenn eine Frau jenseits der Menopause keinen Sex mehr haben kann. Sie sei schließlich schon alt, und die Kinderphase liege auch hinter ihr. Diese Haltung ist so dreist und infam, dass sich jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg damit befasst hat.

Aber der Reihe nach: Mitte der 90er Jahre wurde eine damals etwa 50-jährige Portugiesin bei einer gynäkologischen Operation so schwer verletzt, dass sie kaum noch sitzen und laufen konnte und inkontinent wurde. An Sex war gar nicht mehr zu denken. Stattdessen hatte sie dauerhafte Schmerzen und Depressionen. Kein schönes Leben. Das wollte die Frau irgendwann nicht mehr hinnehmen und zog im Jahr 2000 vor Gericht. Das sprach ihr 172.000 Euro Schmerzensgeld zu.

Richter einer zweiten Instanz indes fanden die Summe zu hoch und reduzierten diese im Jahr 2014 um 40.000 Euro. Sie begründeten ihr Urteil unter anderem damit, die Frau habe schon zwei Kinder, und 50 sei ein Alter, „in dem Sex nicht mehr so wichtig ist wie in jüngeren Jahren, denn seine Bedeutung verringert sich mit zunehmendem Alter.“

Bemerkenswerter Ansatz: Sex ist nur was für Junge und für Menschen, die sich noch reproduzieren sollen. Diese Haltung ist mittelalterlich, männlich selbstgerecht und in etwa so, als würde man einem älteren Mann den Penis abschneiden.

Hoffentlich brauchen die Richter keine Prostata-OP

Man stelle sich vor, eine Urologin verweigert einem Patienten mit Erektionsstörungen, wie sie jenseits der 50 nicht selten vorkommen, sein Viagra. Beschämt sitzt er vor ihr – eine erektile Dysfunktion muss sich ein Mann ja auch erst mal eingestehen. Und sie lächelt ihn an und sagt: „Ach, kommen Sie, dieses ganze Rumgekrame da unten, das brauchen Sie doch nicht mehr. In Ihrem Alter!“

Fragt man über 50-Jährige nach ihrem Sexleben, sagen viele: Ist viel besser als mit 20 und 30

Unabhängig davon, dass die portugiesischen Richter Reproduktion und sexuelle Gesundheit unzulässigerweise in einen Topf werfen, sprechen sie der Frau ihre Lust ab. Weil sie nicht mehr 20 ist.

Wie alt die portugiesischen Richter sind, ist nicht bekannt. Falls sie noch jung sind, sei ihnen zu wünschen, dass sie sich niemals an der Prostata operieren lassen müssen. Häufige Folgen eines solchen Eingriffs sind Inkontinenz und Erektionsprobleme.

Sind die Juristen schon älter, möchte man ihnen raten, einen Moment innezuhalten und sich zu fragen, wie es um ihre eigene Lust bestellt ist.

Ist da noch was?

Sexuelle Lust hört nie auf

Moderner Sexualkundeunterricht lehrt, dass sexuelle Lust bei den meisten Menschen nie aufhört. Auch 90-Jährige gehen miteinander ins Bett, in Seniorenheimen spielen sich anrührende wie wilde Geschichten ab. Fragt man über 50-Jährige nach ihrem Sexleben, sagen viele: Ist viel besser als mit 20 und 30. Vieles ist, wenn man älter ist, einfacher: Die Frau kann nicht schwanger werden. Die Angst, etwas falsch zu machen, ist geringer. Scham überhaupt. Kurz: Sex wird mit 50 erst richtig gut.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Sex als Menschenrecht. Der EGMR hat da eine klare Haltung: Sex ist wichtig. Für jede und jeden, egal in welchem Alter, egal ob als Eltern oder als Kinderlose.

By the way: In zwei anderen Fällen haben portugiesische Gerichte Männern recht gegeben, die auf normalem Wege keinen Sex mehr haben konnten. Darunter leide das männliche Selbstwertgefühl. So ein sexloses Leben sei ein „gewaltiger Schock“. Da schau einer an!

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Ressortleiterin taz.de / Regie. Zuvor Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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