EU-Afrika-Gipfel auf Malta: Der europäische Monolog

Europa und Afrika wollen die Flüchtlingsbewegungen eindämmen. Kritiker befürchten mehr Zusammenarbeit der EU mit repressiven Regimen.

Ein Flüchtling wird in Rom in ein Flugzeug nach Schweden begleitet.

Wie ein Popstar wird dieser umverteilte Flüchtling in Italien zu seinem Flugzeug nach Schweden begleitet. Foto: reuters

BRÜSSEL taz | Wenn europäische und afrikanische Regierungen miteinander über Flucht und Migration reden, lautet das Thema: Kampf gegen „Fluchtursachen“ durch Stabilität, Arbeitsplätze, Bildung und Kleinkredite, mehr Investitionen und billigere Geldüberweisungen.

All dies steht auch im „Aktionsplan“ der EU, den 63 Staats- und Regierungschefs aus Europa und Afrika bei ihrem zweitägigen Gipfel in Maltas Hauptstadt Valletta ab Mittwoch verabschieden wollen. Studentenaustausch, mehr Rettungsoperationen im Mittelmeer und mehr Hilfe für afrikanische Aufnahmeländer von Flüchtlingen kommen ebenfalls vor.

Aber das eigentliche Thema ist die illegale Migration und der Kampf gegen „Schleuser“, die Afrikaner nach Europa bringen. Europa möchte diese Aktivität als organisierte Kriminalität definiert sehen und die entsprechende UN-Konvention in den Gesetzgebungen afrikanischer Länder verankert sehen.

Der Aktionsplan von Valletta sieht einen besseren Informationsaustausch auf Interpol-Ebene über Menschenschmuggel vor, außerdem polizeiliche Zusammenarbeit zwischen Herkunfts-, Transit- und Zielländern von Flüchtlingen. Das betrifft die Überwachung von Telekommunikation und Seewegen oder auch die Feststellung der Nationalität von Flüchtlingen, die unterwegs ihre Papiere vernichtet haben.

Regelung: Seit 1999 versucht die EU, eine gemeinsame Liste „sicherer Herkunftsländer“ zu erstellen, die es bis heute nicht gibt. Nur 12 der 28 EU-Mitglieder haben überhaupt solche Listen, jedes eine andere.

Beispiele: Ghana ist für Bulgarien, Deutschland, Frankreich und Malta ein sicheres Herkunftsland, laut Großbritannien und Luxemburg ist es das nur für Männer, alle anderen Länder definieren es als unsicher. Senegal ist sicher nach Ansicht von Deutschland, Frankreich und Luxemburg, für die anderen nicht. Südafrika wird nur von Großbritannien, Irland und der Slowakei als sicher eingestuft. Auf der britischen Liste stehen auch Länder mit islamistischen Terrorbewegungen wie Kenia und Mali. Äthiopien und Algerien gelten nur in Bulgarien als sicher, die Seychellen nur in Malta.

Frauen: Aus Gambia, Ghana, Liberia, Malawi, Mauritius und Sierra Leone können in Groß­britannien nur Frauen Asyl erhalten. (f.m)

Anfang 2016 sollen dafür afrikanische Grenzpolizisten in zehn EU-Länder eingeladen werden. Geplant ist auch ein Informationszentrum in Agadez, Niger. Dort soll Migranten geholfen werden, wieder in ihr Heimatland zurückzukehren.

Die wichtigste Geldquelle dafür ist ein Topf von 1,8 Milliarden Euro aus dem europäischen Entwicklungsfonds, den EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im September vor dem EU-Parlament vorstellte. Je 750 Millionen Euro sind für die Sahelstaaten und die Länder am Horn von Afrika vorgesehen, 300 Millionen für Nordafrika.

Ausbildungsplätze für Rückkehrer

Das konkrete Vorgehen erprobte die EU im Oktober bei einer Somalia-Geberkonferenz. Somalias Premierminister Omar Abdirashid Ali Sharmake flog mit Zusagen von 105 Millionen Dollar nach Hause. Das Geld fließt aber nicht an die Regierung, sondern in Ausbildungs- und Arbeitsplätze für 10.000 Rückkehrer aus den gigantischen somalischen Flüchtlingslagern von Dadaab, Kenia. Wenn dieses Pilotprojekt Erfolg hat, könnte es auch für somalische Rückkehrer aus Europa angewandt werden. Somalia ist allerdings noch Bürgerkriegsland, kaum jemand kehrt dahin zurück, erkannte auch die Geberkonferenz.

Das Grundproblem des Valletta-Aktionsplan besteht darin, dass er die Prioritäten Europas widerspiegelt, nicht die Prioritäten Afrikas. „Wir hören von der EU einen Monolog, mit dem sie bloß ihre eigene Agenda durchsetzen will“, klagte ein hochrangiger afrikanischer Teilnehmer beim letzten Vorbereitungstreffen zum Valletta-Gipfel in Ägypten.

Immer noch gehen die Regierungen von Österreich, Polen und Litauen davon aus, dass die afrikanischen Staaten mehr EU-Entwicklungshilfe bekommen, die ihre illegalen Auswanderer zurücknehmen. Dies führt dazu, dass die skrupellosesten afrikanischen Diktatoren Europas pflegeleichteste Partner sind. Eritreas Diktator Isaias Afeworki gehöre nach Den Haag, nicht nach Valletta, sagt die italienische Grünen-Abgeordnete Barbara Spinelli. Kooperation mit Diktatoren wie in Eritrea oder Sudan, sagt Kloé Tricot von der britischen Organisation Saferworld, sei kein probates Mittel zur Eindämmung von Flucht.

Ein weiteres praktisches Problem betrifft die uneinheitliche Regelung: Definitionen von Flüchtlingsstatus gibt es so viele wie EU-Länder.

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