EU-Entscheid zu Roaminggebühren: Nur drei Monate im Jahr

Die EU-Kommission bricht ihr Versprechen für zuschlagfreies Auslandstelefonieren. Netzexperten finden das antieuropäisch.

Ein Smartphone, auf dem Pokemongo läuft

PokémonGo im Ausland spielen – das kann teuer werden Foto: dpa

BERLIN taz | 90 Tage ohne Aufschlag – das heißt, danach müssen die Europäer 275 Tage des Jahres für Roaming Mehrkosten zahlen. Nicht nur deshalb kam EU-Kommissar Günther Oettinger am Dienstag mit seinem Vorschlag, die lästigen Kosten für Auslandstelefonate mit dem Handy zu begrenzen, schlecht weg.

Seit gut 15 Jahren plant die Kommission schon, die Roamingkosten einzudämmen. Damals kostete eine Handyminute von Bulgarien nach Deutschland 1,60 Euro, eine SMS von Mallorca 41 Cent. Seit 2007 gibt es Obergrenzen beim Roaming (englisch für Umherwandern). Seitdem sind die Extrakosten für Telefonate im EU-Ausland stark gesunken. Seit April dieses Jahres darf die Minute innerhalb der EU höchstens 19 Cent kosten. Oder nicht mehr als 5 Cent über den Kosten des Handyproviders für ein nationales Gespräch liegen. Eine SMS darf maximal 6 Cent kosten, ein Megabyte Daten 20 Cent.

Allerdings hatte die Kommission Mitte 2015 das komplette Aus für Roaming-Gebühren in Europa angekündigt. Die nun von Oettinger präsentierte Konkretisierung sieht vor, dass Handynutzer im EU-Ausland ab Juni 2017 nur mindestens 90 Tage pro Jahr ohne Zusatzkosten telefonieren und im Internet surfen können. Zudem können die Anbieter jeden einzelnen Roaming-freien Auslandsaufenthalt auf 30 Tage begrenzen. „Damit wollen wir Missbrauch verhindern“, sagte eine Kommissionssprecherin in Brüssel. Mobilfunkanbietern stehe es frei, ihren Kunden auch längere Zeiträume anzubieten. Und: „Wenn jemand eine SIM-Karte in einem EU-Mitgliedstaat kauft und damit die ganze Zeit in seinem Heimatland telefoniert, dann ist das Missbrauch.“

Die EU will also verhindern, dass beispielsweise Deutsche dauernd mit portugiesischen oder bulgarischen Billigtarifen telefonieren, während die Anbieter aus höherpreisigen Ländern das Nachsehen haben. Die Idee, die Roaming-Gebühren „abzuschaffen“, sei besonders für Reisende gedacht, sagte die Sprecherin. Und: Die überwältigende Mehrheit der Europäer reise nun mal weniger als 90 Tage im Jahr.

Von einer „Farce“ sprach hingegen der Netzexperte der Grünen im EU-Parlament, Michel Reimon: „Ein gemeinsames Europa darf nicht bei der Telefonrechnung enden“, erklärte er. Mit dem Gesetzentwurf werde „das versprochene Ende des Roamings für die meisten europäischen Verbraucher keine Realität“, monierte auch der europäische Verbraucherverband Beuc. „Die Kommission scheint sich mehr um die kurzfristigen Interessen der Telekommunikationsindustrie zu kümmern als darum, einen echten Binnenmarkt für Verbraucher zu schaffen.“

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