EU-Projekt Clean IT: Das allzu saubere Internet

Netzzensur, Löschungen auf Zuruf und Abstrafen unwilliger Provider: Eine geheime To-Do-Liste des EU-finanzierten Projekts „Clean IT“ sorgt für Empörung.

„Clean IT“ soll sich eigentlich gegen online aktive Extremisten wenden. Bild: streichholz/photocase.com

„Den Einfluss der Terroristen aus das Internet reduzieren“ - so beschreibt das „Clean IT Project“ auf seiner Webseite die eigene Mission: Extremisten nutzten das Internet zunehmend um Spenden zu sammeln und neue Mitglieder anzuwerben. Dem will sich Projektleiter But Klaasen mit seinen Mitstreitern entgegenstellen. Wer hinter dem Projekt steht, ist auch kein Geheimnis: Auf der Webseite prangt das Banner der Europäischen Union, die Europäische Kommission finanziert die Bestrebungen der Gruppe.

Wegen dieser Verbindung war die Empörung groß, als die europäischen Bürgerrechtlergruppe European Digital Rights (EDRI) ein geheimes Arbeitspapier von „Clean IT“ veröffentlichte. Statt konkrete Maßnahmen gegen Terrorismus standen dort allerlei Vorschläge, die letztlich auf eine allgemeine Netzzensur zu jedem beliebigen Zweck hinausliefen: Firmen sollten den Datenverkehr ihrer Angestellten unbeschränkt überwachen dürfen, wer auf terroristische Inhalte verlinkt, soll ebenso abgestraft werden wie die Terroristen selbst und Provider sollten aufwändige Filtersysteme bereithalten.

Gleichzeitig sollte alles, was Nutzer ins Internet hochladen vorab kontrolliert werden, Synonyme in sozialen Netzwerken verboten und Provider, die sich nicht ausreichend an der Inhaltefilterei beteiligten, durch Ausschluss von öffentlichen Aufträgen abgestraft werden.

Alles in allem war in dem Papier fast das gesamte Horrorszenario von Vorschlägen enthalten, die Bürgerrechtlicher mit einer Internetzensur gleichsetzen – wenn auch nicht durch einen zentralen Zensor wie in China und dem Iran, sondern durch das Zusammenwirken der unterschiedlichen Akteure im Internet.

Überall Empörung

Die Empörung über das Projekt schlug sich dann auch schnell in Blogs und sozialen Netzwerken Bahn. Doch schnell versuchten die Initiatoren die Lage zu beruhigen. Das Papier spiegele keineswegs die Pläne von Clean IT wieder, vielnmehr sei es ein unverbindliches Brainstorming, die Teilnehmer des Projekts hätten zusammengetragen, was man denn generell tun könne. Sogar EU-Kommissarin

Cecilia Malmström sah sich genötigt http://twitter.com/MalmstromEU/status/250573911471845376via Twitter von dem Papier zu distanzieren. CleanIT sei keinesfalls ein EU-Projekt, sondern lediglich ein Forum, um öffentliche und private Stellen zusammenzubringen. Das Diskussionspapier spiegele nicht die Plolitik der EU-Kommission wieder.

Auch Initiator But Klaasen aus dem niederländischen Innenministerium sieht sich missverstanden. Auf einer Konferenz in Amsterdam erklärte er: „Ich glaube an die Redefreiheit als zentrale Stütze unserer Gesellschaft und wir sollten sie immer schützen.“ Doch um dem Problem des Terrorismus zu begegnen müsse man viele Ideen sammeln und auswerten, Denkverbote dürfe es nicht geben.

„Wenn man es nicht ausprobiert, wird man es niemals wissen“, sagte Klaasen. Viele Vorschläge aus dem durchgesickerten Papier würden nach Prüfung selbstverständlich aussortiert. Doch die Bürgerrechtler sehen in der Ideensammlung mehr als nur ein unverbindliches Nachdenken zum guten Zweck.

Providerfilter für Kinderpornographie

„CleanIT ist deshalb Teil eines viel größeren Problems: Wie auf dem Fließband werden schlecht durchdachte Projekte angegangen, im Zuge derer die Wirtschaft irgendetwas unternehmen soll, um schlecht oder gar nicht definierte Probleme im Internet zu lösen“, kommentiert EDRI-Sprecher Joe McNamee.

Wohin diese Selbstkontrolle führen kann, zeigt das Beispiel Großbritannien: Dort existiert eine entsprechende Selbstverpflichtung großer Provider, Kinderpornographie aus dem Netz herauszufiltern. Da die Provider, beziehungsweise die Internet Watch Foundation, niemandem außerhalb Großbritanniens Bescheid geben mussten, konnten die Täter die Bilder und Filme nahezu ungestört in anderen Ländern weiter verbreiten.

Gesperrt hingegen wurde ein Bild in der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia, was dort zu massiven technischen Problemen führte. Die Filesharing-Seite „The Pirate Bay“ wird mittlerweile ebenfalls von britischen Providern blockiert.

Damit nicht genug: Die britischen Mobilfunkprovider wurden unter Regierungsdruck selbstverpflichtet, vermeintlich jugendgefährdende Inhalte auszufiltern, wenn die Kunden nicht ausdrücklich etwas anderes verlangen. Dass die automatisierten Filter jedoch von moralischen Kategorien nichts verstehen, musste als erstes eine Plattform für Vegetarier feststellen. In ihrer App wurde für „junges Gemüse“ geworben – und prompt wurde sie blockiert.

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