Ein Sampler des Arabischen Frühlings: Der dritte Weg

Rapper aus Tunesien, Syrien und dem Libanon haben sich und den Wandel in ihrer Region auf dem gemeinsamen Album „Khat Thaleth“ musikalisch verewigt.

Der Arabische Frühling hat das Musikprojekt ermöglicht. Entstanden sind 23 wütende HipHop-Tracks mit politischer Botschaft. Bild: ap

Er klingt sperrig, der Arbeitstitel des arabischen HipHop-Samplers „Khat Thaleth“: „Initiative zur Erhöhung der öffentlichen Aufmerksamkeit“.

So sperrig, dass sich der syrisch-amerikanische DJ und Produzent Munaqresh dann doch entschieden hat, auf den Untertitel zu verzichten, der erst im Netz kursierte. Auf dem nun erschienenen Album heißt es nur noch „Khat Thaleth“ – Arabisch für „dritter Weg“.

Munaqresh, Sohn syrischer Eltern und vor zwei Jahren nach Beirut gezogen, hat 23 Tracks von HipHop-Crews aus der Region zusammengetragen: Sie kommen aus Tunesien, Ägypten, Irak und anderen Staaten der Region. Auf große Namen wurde verzichtet, stattdessen gibt es wütenden politischen HipHop. Conscious Rap, wie es im Englischen heißt, gibt es bereits seit zwei Jahrzehnten in den arabischen Ländern; die Aufstände der letzten zwei Jahre scheinen Munaqresh jedoch zusätzlich beflügelt zu haben. „Khat Thaleth“, meint er, der die Hälfte der Tracks auch produziert hat, „ist ein revolutionäres Projekt, ohne jedoch Partei zu ergreifen für diese oder jene Gruppe.“

„Von Anfang an war klar“, sagt er, „dass wir auch die Opposition kritisieren und die Regime dieser Länder.“ Daher der Titel: „Dritter Weg“. Und tatsächlich kommen die 23 Tracks kontrovers daher: „Freiheit ist ’ne Lüge“, rappt der Palästinenser Yaseen, „wenn al-Nahda Tunesien regiert“, und spricht damit die religiös-konservative Regierungspartei an. In Richtung der zunehmend islamisierten Rebellen in Syrien rappt der libanesische MC Zeinedin in seinem Track: „Ich habe Angst, für die Revolution zu arbeiten / Und mich am Ende selbst zu betrügen“.

„Die Idee war, die Perspektiven der Leute einzufangen, wo sie herkommen, was sie denken“, sagt Munaqresh, der in der Clubszene besser bekannt ist unter dem Namen Dub Snakkr. Doch für dieses Projekt verwendet er seinen arabischen Künstlernamen Munaqresh. Denn die Unruhen in den arabischen Ländern sind für den Produzenten Ausdruck der panarabischen Zusammengehörigkeit.

Die Hedschasbahn

Als der 35-Jährige 2011 nach Beirut zog, brannte es in der Region. Grenzüberschreitend erhoben sich Menschen gegen autokratische Regime. Auch Munaqresh beschäftigt das Thema Grenzen. „Es gibt eine alte Eisenbahnlinie, die Hedschasbahn“, erklärt er. „Unsere Großeltern erzählten davon, wie man früher in Damaskus einsteigen und gleichentags in Jordanien oder Palästina sein konnte, sogar im Irak.“

Für die Jugend im nationalstaatlich geteilten Nahen Osten sei diese Mobilität unvorstellbar. Eine Lokomotive ziert nun auch symbolisch das Cover des Samplers.

Von der Zusammengehörigkeit erzählt auch die Musik auf „Khat Thaleth“, obwohl die Künstler in den unterschiedlichsten arabischen Dialekten rappen. Immer wieder lugen zwischen den Beats traditionelle Rhythmen und Folk-Gesangsfragmente hervor. Mal wird zum Sprechgesang auf der dickbauchigen Oud gezupft, dann mischen sich die Turntables mit der arabisch anmutenden Flöten-Melodie von Duke Ellingtons „Caravan“.

Dass die Beats einiger Tracks etwas zu roh wirken, lässt die Mischung aus HipHop und Tradition schnell vergessen. Einer der stärksten Titel des Samplers stammt von der jungen syrischen Crew LaTlateh. Gemütlich schreitet der Beat voran, aber packend ist die Begleitung zum eingängigen Frauengesang im Chorus: „Boom boom bam / Damaskus kriegt keinen Schlaf“. Der Text beschreibt eine Bombenexplosion mit blutigem Ausgang. „Ich sehe ein großes Loch /Aber wo ist der Rest meines Körpers /Warum habe ich Glassplitter in meiner Haut? Boom boom bam, Damaskus kriegt keinen Schlaf.“

Texte wie dieser verleihen der Musik einen pessimistischen Unterton. Alles wird zur Sprache gebracht. Doch von der Euphorie der jungen Leute, die die Aufstände in der Region mittrugen, ist auf „Khat Thaleth“ wenig zu spüren. „Was bringt es, das Land zu verbrennen / Wenn das Ziel vergeblich ist?“, fragt Zeinedin. „Ich bin nicht gegen Wandel, aber ich glaube nicht, dass er hilft“.

■ Various Artists: „Khat Thaleth“ (Stronghold Sound)
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Auch Jahre nach Beginn des „Arabischen Frühlings“ reißen die Massenproteste nicht ab. Ein ganzes Jahrzehnt ist tief durch die Arabellion geprägt. Im Schwerpunkt-Dossier „Zehn Jahre Arabischer Frühling“ berichten taz-Korrespondent*innen und Gastautor*innen aus den Umbruchsländern vom Maghreb über Nordafrika bis nach Syrien, den ganzen Nahen Osten und die arabische Halbinsel.

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