Eine Bewegung der Parteiverdrossenen: Die Retter der „Herzensflächen“

Mehrere Bürgerinitiativen haben sich zusammengeschlossen, um mit einem Volksbegehren Bremens Grünflächen vor der Bebauung zu schützen.

Und das sind nur einige derer, die jetzt als "Initiativen für Bremen" zusammenarbeiten. Bild: Jan Zier

Schon bei der Frage, wie viele Bremer Bürgerinitiativen sich da jetzt zusammengeschlossen haben, wird es etwas unübersichtlich. Sieben von ihnen haben am Freitag in die Bürgerschaft geladen, um dort ein Volksbegehren zu initiieren. Es soll Bremens Parks und Gärten, Friedhöfe und Parzellenländereien, Hochwasser- und Naturschutzgebiete sowie allerlei andere Grünanlagen vor Bebauung jedweder Art schützen. Die AktivistInnen kommen aus allen Teilen der Stadt, nennen sich nun „Initiativen für Bremen“ (IFB) und speisen sich aus einem Pool von rund 20 Bürgerinitiativen.

Die IFB fordern ein Gesetz, das mit drei schlichten Paragrafen auskommt, aber einen Titel hat, der viel zu lang ist, um ihn hier annähernd wiederzugeben. Der Inhalt ist so schlicht wie radikal: Fast 200 in einem „Flächenerhaltungsplan“ genannte Grün- und Sozialräume sind von „jeglichen Bauten aus dem Hoch- und Straßenbau freizuhalten“ und für „Erholung, Bewegung und Begegnung“ zu reservieren.

Die Initiativen, die sich vor Ort beispielsweise der Rettung der Osterholzer Feldmark oder der Wolfskuhlensiedlung verschrieben haben, die aus Walle, Bremen-Nord oder der Neustadt kommen, sie alle eint vor allem ein abgrundtiefes Misstrauen gegenüber der Bremer Politik, vor allem – aber nicht nur – der des grünen Bau- und Umweltsenators Joachim Lohse. Sprecher und Alterspräsident der IFB ist Olaf Dinné, der kommendes Jahr 80 wird, einst erfolgreich die Mozarttrasse bekämpfte, später einer der bundesweit ersten vier Landtagsabgeordneten der Grünen war und vor ein paar Jahren mit der rechtspopulistischen „Bremen muss leben“-Bewegung sympathisierte. „Wir wurden immer hinters Licht geführt“, sagt Dinné, „also versuchen wir nicht, mit Argumenten irgendetwas zu erreichen.“ Deswegen wollen sie jetzt selbst ein Gesetz durchsetzen, sagt Dinné – eines „nach unseren Vorstellungen“.

Die IFB kritisieren das ihrer Meinung nach „kurzsichtige und einseitige Konzept der Innenstadtverdichtung“ und diverse Bauprojekte für „Premium-Wohnungen in Premium-Lagen“, die in den vergangenen Jahren in Bremen entstanden seien. Sie schimpfen darauf, dass die finanziellen Interessen „weniger Bauunternehmer und Investoren“ über dem „Wohl der Bevölkerung“ stünden und protestieren dagegen, dass die BürgerInnen von Planung, Verwaltung und Politik – wenn überhaupt! – „oft nur halbherzig“ in Entscheidungen eingebunden würden.

Und jeder der IFB-AktivistInnen hat dazu eine Geschichte aus seiner Arbeit zu erzählen. Er sei von der Grünen-Fraktion „wieder ausgeladen“ worden, klagt Olaf Brandstätter, Sprecher von „Grünes St. Magnus“. Er sei von Politikern aller Couleur „richtig angelogen“ worden, sagt Michael Seegelcken-Kuhn von der „Aktionsgemeinschaft Binnendüne“. „Irgendwann“, sagt Gerhard Bomhoff und fasst sich an die Stirn, „steht einem das bis hier.“ Bomhoff vertritt die Initiative „Rettet die grüne Lunge Werdersee“.

Nun treten sie an, um die „letzten Bremer Grünflächen“ vor der Bebauung zu schützen, die „Herzensflächen“, wie Dinné sie nennt. Deren Liste ist so lang wie das Misstrauen der IFB-Aktivisten groß. Kein einziges Grüngebiet in der Stadt scheint ihnen gefeit vor möglichen rot-grünen Bauvorhaben.

Zugleich stellen sie in Frage, ob Bremen bis 2020 wirklich 14.000 neue Wohnungen braucht, wie es die Bauoffensive des rot-grünen Senats vorsieht. Die neu avisierten 30 Flächen für die von der Politik gewünschte Innenverdichtung Bremens reichten aber auch nur für 4.800 Wohnungen. Umso größer ist die Angst der IFB um das restliche Grün. Dass Bremen mehr Sozialwohnungen benötige, steht für sie jedoch außer Frage – Platz dafür sehen sie auf dem alten TÜV-Gelände in Hastedt, in der Überseestadt, an der Neuenlander Straße oder in Blumenthal.

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