Eine Luftbrücke der besonderen Art.: Die Kuhconnection nach Katar

Weil seine Nachbarn das Emirat Katar politisch und wirtschaftlich isolieren, wird jetzt Holsteiner Buntvieh aus Deutschland eingeflogen.

Leistungsfähiges Rindvieh: Schwarzbunte Holsteiner wie „Krista“ sollen Katar aus der Milchklemme helfen Foto: Michael Bahlo/dpa

LEER taz | Rinder aus Deutschland sollen eine Lebensmittelkrise in dem Golf-Emirat Katar verhindern. Die ersten 165 Holsteiner Rinder sind letzten Dienstag von Frankfurt aus in die Hauptstadt Doha geflogen worden. Sie sind die erste Fuhre von insgesamt 50 weiteren Lieferungen, die in den nächsten Wochen folgen sollen. Insgesamt sollen nach Informationen der katarischen Behörde für Lebensmittelversorgung zunächst 4.000 Rinder in klimatisierten Ausläufen mitten in die Wüste in Al-Chaur, nördlich von Doha aufgestellt werden.

Katar hat ein Problem, denn es wird seit dem 5. Juni von seinen Nachbarn Saudi Arabien und Bahrain boykottiert. Es ist aber bei allen Versorgungsgütern von Importen abhängig. Seine Nachbarn werfen dem reichsten Land der Welt unlautere Beziehungen zum Iran und Unterstützung islamistischen Terrors vor. Katar hat sich gegen diese Vorwürfe verwahrt.

Der Boykott hat zu einer akuten Lebensmittelknappheit in dem Land mit 2,7 Millionen Einwohnern geführt. Rettung nahte zunächst aus der Türkei. Inspiriert von den Rosinenbombern, mit denen die USA nach dem Zweiten Weltkrieg Berlin aus der Luft versorgten, lieferte sie Lebensmittel per Luftbrücke in das Emirat.

Jetzt sollen mindestens 1.000 Rinder aus Deutschland eingeflogen werden, der Rest aus den USA und Australien. Die ersten 4.000 Tiere liefern Milch für ein Drittel der Bevölkerung. Später soll der Bestand auf 25.000 Tiere aufgefüllt werden. Schon heute gibt es in Katar mehr als 20.000 Schafe und Ziegen.

„Damit wären alle Menschen in Katar ausreichend mit Milch versorgt“, sagt ein Sprecher der Behörde für Lebensmittelversorgung. „Wir haben genug Barreserven, um jeden Schock zu überstehen“, kommentiert der Chef der katarischen Zentralbank in einem Interview die Kuhconnection. – Das notwendige Futter muss gegen Cash laufend eingeflogen werden.

Obwohl die ersten Holsteiner von einem ungarischen Händler geliefert wurden, wissen Branchenkenner, dass sie ursprünglich aus Deutschland stammen. Aber in Norddeutschland will sich derzeit kein Zuchtviehverband als aktueller oder zukünftiger Rinderlieferant nach Katar outen. „Wir haben keine Kontakte nach Katar und auch keine anderen Kunden in Arabien“, sagt eine Sprecherin der Rinderzuchtverbandes Schleswig-Holstein. „Wir würden die Tiere auch nicht selbst liefern, sondern einen Zwischenhändler einschalten. Der käme aber dann sicher aus Deutschland.“

Der größte Exporteur von Lebendvieh in Niedersachsen und Sachsen ist „Masterrind“ aus Verden. „Wir haben Kunden in Arabien, aber aktuell liefern wir nicht nach Katar“, sagt Ralf Strassmeyer, zuständig für den Export bei Masterrind. Er selbst sei zwar in Katar gewesen und habe sich Stallungen in der Wüste angesehen, konkret verhandelt habe er aber nicht. Ähnlich beantwortet Heiner Saathoff, Vermarktungsleiter des Vereins ostfriesischer Stammviehzüchter VOST, die Frage nach einem Engagement für Katar. Aktuell liefern die Ostfriesen Kühe nach Abu Dabi.

Edmund haferbeck, peta

„Wenn ich höre, die Katarer hielten europäische Standards bei der Tierhaltung ein, ist das eher ein Grund zur Besorgnis“

In der Regel würden die Tiere von Frankfurt, Amsterdam oder Belgien in Frachtflugzeugen in Holzboxen von bis zu zehn Tieren verladen, sagt Strassmeyer. „Die Planung ist etwas anspruchsvoll, aber der eigentlichen Transport ist einfach.“ Von Frankfurt nach Doha dauere der Flug etwa fünf Stunden, dann kämen die Tiere in Quarantäne und würden später auf die Ställe verteilt. „Die sind klimatisiert und haben europäischen Standard“, versichert Strassmeyer.

Als „völlig daneben und sinnlos“ bezeichnet Edmund Haferbeck, Landwirtschaftsexperte der Tierschutzorganisation Peta, die Kuhconnection. Zum einen würden die Tiere vorher durch halb Europa zu den Flughäfen gekarrt; zum andern habe Katar weder das Know-how für eine Rinderzucht noch die klimatischen und halterischen Möglichkeiten.

„Wenn ich höre, die Katarer hielten europäische Standards bei der Tierhaltung ein, dann ist das eher ein Grund zur Besorgnis als zur Beruhigung“, sagt der Peta-Mann. „Ich glaube sogar, in Katar gibt es nicht einmal ein Tierschutzgesetz.“ Völlig unsinnig sei die Aktion ohnehin, sagt Haferbeck, weil vielen Menschen in Arabien, ähnlich wie Asiaten, ein Enzym im Körper fehle, das Milchprodukte verarbeiten könne.

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