Einsturz wegen Schneemassen: Dachschaden in Tschernobyl

Am Katastrophen-AKW ist eine Halle eingestürzt. Eine radioaktive Belastung soll es nicht geben. Konsequenzen ziehen die ukrainischen Behörden nicht.

Block 4 des AKW Tschernobyl im Jahr 1986. Bild: ap

Immer wieder hatten Experten gewarnt: Die nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 über den havarierten Reaktor gebaute Betonhülle, der „Sarkophag“, werde weder einem Erdbeben noch Flugzeugabstürzen standhalten.

Offenbar genügten in der vergangenen Woche trivialere Naturereignisse: Starker Schneefall hatte ein Dach und eine Wand des Sarkophags der Turbinenhalle zum Einsturz gebracht, sie befindet sich unmittelbar neben dem zerstörten Reaktor.

Einige Tage nach dem Vorfall scheint klar zu sein: Die ukrainischen Behörden wiegeln ab, Besorgnis sei angesichts des Vorfalls nicht angebracht, sagen sie. „Vor Ort sind bereits Rettungskräfte und die Miliz im Einsatz. Sie räumen den Schnee, sind mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Die Strahlenbelastung ist im Normbereich“, berichtete der Chef des Unterausschusses des Parlaments der Ukraine zur Beseitigung der Folgen der Katastrophe von Tschernobyl, Waleri Kaltschenko, ukrainischen Medien zufolge.

Sofort nach Bekanntwerden des Vorfalls tauchten auf dem Reaktorgelände zahlreiche Besucher auf, darunter der ukrainische Umweltminister. Am 14. Februar tagte eine Kommission von Sicherheitskräften aus dem Gebiet Kiew in Tschernobyl, um über eine „Vervollständigung des physischen Schutzes der nuklearen Materialien und Einrichtungen bei der Außerbetriebnahme der Atomkraftwerks von Tschernobyl“ zu beraten, berichtete die Internetseite des Kraftwerks von Tschernobyl. Zwei Mitarbeiter des Kraftwerks, die namentlich nicht genannt werden wollten, berichteten gegenüber der taz, dass die Exkursionen zum Kraftwerk wie gewohnt weitergingen. Konsequenzen zogen lediglich die beiden französischen Bauunternehmen Vinci und Bouygues, die an einer neuen Ummantelung für den zerstörten Reaktor arbeiten. Sie zogen aus Vorsicht 80 Arbeiter ab.

„Selbst wenn sich die Strahlenbelastung nicht erhöht hat, ist dies ein sehr beunruhigendes Signal“, kommentierte der Leiter des Energieprogramms von Greenpeace Russland, Wladimir Tschuprow, den Vorfall. „Sollten die Deckenplatten im Maschinenraum herabgestürzt sein, gibt es keine Garantie, dass nicht auch der Sarkophag einstürzt. Die Betriebsdauer des alten Sarkophags geht ihrem Ende entgegen“, sagt Tschuprow.

Das größte Problem sei radioaktiv belasteter Diffusionsstaub im Inneren des Sarkophags. Sollte dieser Staub in die Umwelt gelangen, stelle er eine Gefahr dar, die Dutzende von Kilometern Fläche im Umkreis belasten könne. „Eine lokale erneute Verstrahlung ist nicht auszuschließen“, sagt Tschuprow.

Der Vorfall zeigt vor allem, dass die neue Ummantelung dringend rechtzeitig fertig werden muss – der alte Sarkophag ist 1986 in großer Eile errichtet worden, schon mehrfach ausgebessert und soll maximal 27 Jahre halten. Pünktlich zum 25. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hatte der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch am 26. April 2012 symbolisch den Knopf für den Baubeginn des neuen, mindestens 1,5 Milliarden Euro teuren Sarkophags gedrückt. Die riesige Bogenhalle mit einer Spannweite von 257 Metern und 110 Metern Höhe wird vor dem zerstörten Reaktor errichtet und soll auf Schienen über den alten Sarkophag gezogen werden. Nach Erwartungen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die das Geld der 30 Geberländer verwaltet, soll der neue Schutz 2015 fertig sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.