Energieförderung in der EU: Technokraten füttern Atomlobby

Im neuen Haushalt will die EU-Kommission die Atomenergie mit 1,3 Milliarden Euro fördern. Für Windenergie bleiben nur 24 Millionen übrig. Kritiker sind entsetzt.

Illustration des geplanten Fusionsreaktors Iter, der im südfranzösischen Cadarache gebaut werden soll. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Im kommenden Jahr erhält die Atomindustrie wieder Rekordsummen aus dem EU-Haushalt. Nach Berechnungen des Europäischen Verbandes für Windenergie bekommt der Nuklearsektor mindestens 1,3 Milliarden Euro aus dem Budget für 2012, das die EU-Abgeordneten am Donnerstag verabschieden wollen.

Alle anderen Technologien erhalten demnach nur knapp 355 Millionen Euro. Darunter fallen auch die alten Energieformen Kohle und Gas. Für die Windenergie bleiben dann gerade noch 24 Millionen Euro übrig.

"Der lange Trend in der Europäischen Kommission, die Atomindustrie auf Kosten der anderen Energieformen zu fördern, erreicht mit dem Budget für 2012 einen Höhepunkt. Das können nur europäische Technokraten verzapfen", sagt der Vorsitzende des Europäischen Windenergie-Verbandes, Christian Kjaer.

Schon 2008 hat die Internationalen Energiebehörde (IEA) die Europäische Union kritisiert, weil schon damals 40 Prozent aller Forschungsgelder in die Kernfusion flossen. Statt sich nach der Empfehlung zu richten, die Gelder besser zu verteilen, bekommt die Atomindustrie im kommenden Jahr nach bisherigem Verhandlungsstand sogar 80 Prozent der EU-Mittel. "Die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament dürfen das auf keinen Fall akzeptieren. Es widerspricht jeder vernünftigen Energiepolitik", sagt Christian Kjaer.

Völlig falsche Schwerpunktsetzung

Auch die grüne Abgeordnete im Europäischen Parlament, Helga Trüpel, hält diese Verteilung der Fördergelder für ein "Missverhältnis": "Es ist eine völlig falsche Schwerpunktsetzung. Aber es gibt im Parlament noch immer keine Mehrheit gegen Atom. Vor allem Frankreich macht da einen ungeheuren Druck", sagt die Parlamentarierin.

Der größte Teil der Gelder fließt in den Forschungsreaktor Iter, in dem Wissenschaftler versuchen, eine Kernfusion zu erreichen. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten und der EU-Abgeordneten unterstützt dieses Projekt, und sie haben sich darauf geeinigt, es aus dem Haushalt herauszunehmen und extra zu finanzieren. Das bedeutet, dass mindestens 50 Millionen Euro Forschungsgelder, die ursprünglich für andere Projekte vorgesehen waren, nun in dem Reaktor verschwinden werden.

"Ich halte es nicht für klug - gerade jetzt in der Krise -, so viel Geld in ein Projekt zu stecken, dessen Erfolg nicht garantiert ist. Wir müssten Programme fördern, die kurzfristig Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze bringen", sagt Helga Trüpel, die die Haushaltsverhandlungen für die Grünen verfolgt. Wie genau die Verteilung letztendlich ausfallen wird, ist noch offen. In Brüssel laufen die Verhandlungen noch.

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