Energiewende in der IT-Branche: Wie grün ist Facebook?

Das Online-Netzwerk geriert sich als Vorkämpfer für den Klimaschutz. Die von Facebook ergriffenen Maßnahmen reichen aber noch lange nicht aus.

Was ist hinter dem schönen Schein? Facebooks Energiemix unter der Lupe. Bild: dapd

BERLIN taz | 269 Gramm Kohlendioxid. Das ist der jährliche CO2-Fußabdruck von Facebook – umgerechnet auf den einzelnen Nutzer. Der Wert entspricht etwa dem eines Latte Macchiato, teilt das Unternehmen in der vergangenen Woche mit. Wem dieses kaffeehaltige Heißgetränk nichts sagt: ein anderes Äquivalent sind drei große Bananen.

In einer gemeinschaftlichen Absichtserklärung haben Facebook und Greenpeace im Dezember 2011 verkündet, die „Entwicklung sauberer und erneuerbarer Energiequellen“ zu fördern. Damit nicht genug, Facebook legt nach: „Unser Ziel ist es, für alle Prozesse in unserem Betrieb saubere und erneuerbare Energie zu verwenden.“

Zurück zu den Bananen. Multipliziert mit den aktuell rund 955 Millionen monatlich aktiven Facebook-Nutzern, ergibt das 2.865.000.000 Bananen. Das entspricht einem Energieverbrauch von 532 Millionen Kilowattstunden bzw. dem Ausstoß von 285.000 Tonnen klimarelevanter Gase (angegeben in CO2-Äquivalenten, die auch andere Treibhausgase wie Methan, Stickoxide und Fluorkohlenwasserstoffe einschließen).

Der Energiemix von Facebook: 27 Prozent Kohle, 23 Prozent Erneuerbare, 17 Prozent Gas, 13 Prozent Atom, 20 Prozent aus "unbekannten Quellen". Die Daten wurden nach Unternehmensangaben von einer unabhängigen Institution überprüft.

Anfang August machte Facebook den Energieverbrauch und Energiemix von 2011 öffentlich: Demnach verwendete das Unternehmen 23 Prozent Erneuerbare. Das Zwischenziel für 2015 lautet „25 Prozent sauberer Strom“. Eine Steigerung von zwei Prozentpunkten in vier Jahren – das klingt nicht nach einer totalen Energiewende. In diesem und im nächsten Jahr wird sich Facebook von seinem 2015-Ziel sogar erstmal weiter entfernen, denn der Kohleanteil wird deutlich ansteigen.

Schmutzfink Amazon

Das liegt an zwei riesigen mit Kohlekraft betriebenen Rechenzentren in den USA. Die beiden sind zurzeit nur zu einem Bruchteil ausgelastet, werden aber durch das stark steigende Nutzer- und Datenaufkommen ihren Energieverbrauch bald vervielfachen. David Pomerantz, Sprecher von Greenpeace International für Technologie und „Cool IT“ betont in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit des Energieverbrauchs der Rechenzentren, denn dort fallen bei Facebook fast drei Viertel des gesamten Strombedarfs an.

Bereits jetzt verschlingen Serverparks weltweit rund zwei Prozent der Energie. Der Bedarf könnte sich bis 2020 vervierfachen, prognostiziert Pomerantz. Gegenüber der taz weist er auf das Problem der geringen Verfügbarkeit sauberer Energie in den USA hin. Facebook weicht unter anderem deshalb ins Ausland aus. In Schweden wird ein mit Wasserkraft betriebenes Rechenzentrum geplant.

Als positives Beispiel nennt er Google, das schon im Dezember 2011 genaue Daten zum Energieverbrauch veröffentlichte. Das Unternehmen hat bereits über eine Milliarde Dollar in ressourcenschonende Technologien investiert und kommt den Vorstellungen eines "Green-IT"-Unternehmens ziemlich nahe, sagt der Greenpeace-Sprecher. Der Schmutzfink der Branche sei der Internetversandhändler Amazon. Das Unternehmen, das auch im großen Stil Serverkapazitäten vermietet, deckt seinen Strombedarf zu geschätzten 64 Prozent aus Kohle und Kernenergie.

„Nur ein Teil des ökologischen Fußabdrucks“

Pomerantz beurteilt die Facebook-Maßnahmen so: „Es ist ein guter erster Schritt auf einem langen Weg.“ Genau die gleichen Worte benutzt auch Siegfried Behrendt vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in Berlin. Um eine sinnvolle Bewertung von Unternehmen zu erreichen, fordert er zudem ein staatlich-gefördertes Langzeitmonitoring von Konzernen. Nur so könne man „die Reaktionen auf die Entwicklungsdynamik des stetig wachsenden Sektors dokumentieren und Greenwashing von ernstgemeinten Maßnahmen dauerhaft unterschieden“.

Behrendt hält die Branche der Informations- und Kommunikationstechnologie aus drei Gründen für besonders relevant: „Sie wächst schnell, ist klimarelevant und besitzt erhebliche Einsparkapazitäten.“

Der Projektleiter der Arbeitsgruppe „Ökologisches Wirtschaften“ kann aber in den Bemühungen von Facebook „noch keine anspruchsvolle grüne Strategie“ erkennen. Auch dem Unternehmen ist klar, dass „die veröffentlichen Daten nur ein Teil des ökologischen Fußabdrucks“ beschreiben. Deshalb will man auch „in anderen Feldern Daten erheben und neue Sparpotenziale nutzen“.

Ein guter Ansatz

Karsten Greye, Analyst für IT und Software Services bei Oekom, bemängelt ebenfalls das Fehlen eines klaren Plans. Und nicht nur das: Facebook gibt zwar den Stromverbrauch seiner Rechenzentren an, sagt aber nicht, mit welchen Datenmengen dieser verursacht wird. So fehlt mit der Relation von Verbrauch und Leistung ein wichtiges Bewertungskriterium für Ressourcen schonendes Handeln, sagt Greye. Neben dem Strom seien auch andere Aspekte wie Wasserverbrauch und Abfallwirtschaft wichtig − Angaben dazu fehlen völlig.

Erst mit diesen Zahlen ist ein Rating der Energieeffizienz möglich, betont Greye. Er beurteilt Facebooks Bemühungen gegenüber der taz so: „Das ist ein guter Ansatz, aber es fehlen noch 80 Prozent der notwendigen Daten. Es handelt sich also um eine vollkommen unterentwickelte Gesamtschau.“

Oekom bewertet nicht nur die Energieeffizienz eines Unternehmens, sondern die gesamte „Nachhaltigskeits-Performance“. In diese fließen auch soziale Kriterien, wie Arbeitszufriedenheit und Gleichberechtigung sowie der Umgang mit gesellschaftlich relevanten Themen wie Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Datenschutz ein.

Bananen einsparen

Mit Blick auf die Konkurrenz fügt Greye hinzu: „Andere Firmen aus dem IT-Bereich in Silicon-Valley sind da schon wesentlich weiter.“ Welche, will er nicht sagen, die kostenpflichtige Bewertung von Unternehmen nach Umweltkennzahlen und ökologischen Trends ist schließlich das Kerngeschäft seines Unternehmens.

Die Selbstdarstellung von Facebook suggeriert hingegen, dass das Unternehmen bei Innovationen im Nachhaltigkeitsbereich mitführend ist. Dazu passt eine weitere Aussage aus der Absichtserklärung: Die Firma will „neue Entwicklungen und Erfahrungen darstellen und so Menschen und Organisationen helfen, Energie zu sparen“ – das ganze selbstverständlich auf Facebook.

Wie schnell und konsequent die Betreiber des Sozialen Netzwerks den Umbau zu einem „Green-IT“-Konzern umsetzen, wird auch von Unternehmen, die Anlageberatungen im Bereich Nachhaltigkeit durchführen, genau beobachtet werden. Nach dem ersten Börsenjahr wird dann eine kritische Beurteilung stattfinden. Bis Facebook komplett auf alternative Energien umgestellt hat, wird noch viel Zeit vergehen − es gibt noch viele Bananen einzusparen.

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