Ensemble-Leiter über Musikfestival: „Romantik ist ein Minenfeld“

Um Romantik geht es beim Resonanzraum-Festival. Tobias Rempe vom Ensemble Resonanz über Schumann, Schubert, musikalische und politische Zombies.

Die Silhouetten eines Paars vor Sonnenuntergang

Wo das Licht der Aufklärung eher nicht so hell scheint: Seeufer-Romantik. Foto: dpa

taz: Herr Rempe, sind Sie ein Romantiker?

Tobias Rempe: Nach so viel Beschäftigung mit dem Thema ist diese Frage überhaupt nicht mehr zu beantworten.

Beschäftigung insofern, als „das Romantische“ Thema des zweiten Resonanzraum-Festivals nächste Woche ist.

Die Spuren kann man, auf der einen Seite, ja bis heute wiederfinden: in Protestbewegungen und einer Hinwendung zu mehr Aufmerksamkeit für die Natur, das Klima, auch der Hambacher Forst; verschiedenste Sachen. Darin kann man romantische Bezüge sehen. In einer sensiblen, kritischen Haltung gegenüber der durchtechnisierten Welt, gegenüber der Herrschaft der Algorithmen: Überall könnte man positiven Widerstand im Sinne eines Romantischen sehen.

47, begründete schon während des Violinstudiums das Ensemble Resonanz mit. Bis 2007 Geiger dort, seit 2008 Geschäftsführer.

Aber?

Gleichzeitig steckt das Romantische natürlich auch in den ganzen rückwärtsgewandten, sehr gefährlichen und Besorgnis erregenden Bewegungen von Vereinfachung, von einfachen Narrativen; Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus, neuer Faschismus: Politische Romantik ist ja ein Minenfeld, und da sind die Rechten vorne mit dabei. Insofern, um Ihre Anfangsfrage zu beantworten: ein klares „Weiß ich nicht“.

Im Zusammenhang mit dem Festival sprechen Sie von „den Spuren dieser Geisteshaltung“, ihren „zeitgenössischen Blüten“, von denen wir ja schon einige gestreift haben, gute wie böse Blumen, sozusagen. Wie klar war Ihnen diese Ambivalenz am Anfang?

Es ist bei der Entwicklung unserer Programme oft so, auch beim Festival, dass wir bereits bestimmte Künstler haben oder Werke, die uns besonders interessieren, aber wir wissen vielleicht noch gar nicht genau, warum. Die legen wir dann nebeneinander und fangen an, sozusagen im Dialog mit dem, was schon da ist, zu gucken: In welche Richtung führt uns das?

Was lag denn in diesem Fall schon so alles da?

Wir hatten, eigentlich für unsere „Urban String“-Konzerte eine Sache in der Entwicklung, die „Juliet Letters“ …

… Elvis Costellos „mondbeglänzte Briefe ins Unbekannte“, gesungen von Jan Plewka.

Und da haben wir gedacht: Das könnten wir eigentlich auch auf dem Festival machen – und vielleicht ergibt sich daraus noch mehr? Für uns als Streich­ensemble sind die Spuren der Romantik ja auch auf musikalischer Ebene interessant, weil die musikalische Romantik so eine Art Untotenleben führt innerhalb der Ästhetik dessen, was allgemein als „klassische Musik“ empfunden wird.

Was meinen Sie da genau?

Filmmusik, manche Konzertprogramm-Compilations, auch die „Neo-Klassik“. Ein irgendwie untotes, zombiehaftes romantisches Substrat ist in solcher Musik immer vorhanden. Umso interessanter war es, noch mal genau hinzusehen: Was ist eigentlich übrig? Inwiefern gerät es auf eine positive Weise in Konflikt mit der Moderne – und inwiefern auch auf eine gefährliche?

Wer nun denkt: „Ah, endlich auch mal musikalische Romantik im Feldstraßenbunker“ – wie richtig läge er oder sie damit?

Gibt es im Programm ja auch: Zum Beispiel das erste Konzert „Waldgespräche“ mit Christina Landshamer …

Resonanzraum-Festival: Do, 20. Juni, bis Sa, 22. Juni, Resonanzraum + Uebel und Gefährlich, Bunker Feldstraße, Hamburg;

www.resonanzraum.club/festival

… am Donnerstagabend …

… geht gleich los mit Musik von Fanny Mendelssohn. Das ist auf den Punkt genau musikalische Romantik. Ebenfalls im ersten Programm sind wir dann mit Alexander von Zemlinsky und Alban Berg aber auch schon in so einer Art überspannter Fin-de-siècle-Aufgeregtheit – aber vom Klang und der Gefühlslage her immer noch in der puren Romantik. Wir kommen da dann noch mal hin mit dem Liedersalon am Samstagvormittag: Schubert, Schumann, also noch mal ein romantisches Kernrepertoire, das dann im anschließenden Salongespräch wieder ins Heute geführt wird.

Da sind Stephanie Töwe von Greenpeace zu Gast, Stefan Willer, Professor für Neuere deutsche Literatur an der Berliner Humboldt-Universität, und die Schriftstellerin Marie Rotkopf.

Die Verfasserin des „Antiromantischen Manifests“, genau. Und auch die weiteren musikalischen Spuren, die wir verfolgen, haben mit Spannungen zu tun wie der zwischen analog und digital: Von „analogem Techno“ ist ja im Programmtext die Rede.

Gemeint ist „Alltagspoesie“ mit Paul Frick am Samstag im Uebel & Gefährlich.

Genau, oder auch das „Late Night Set“ des Elektronikkünstlers Horațiu Șerbănescu am Freitag: Da wird es fast schon schwierig zu erklären, was daran für uns noch romantisch ist. Aber auch da gibt es diese Spannung zwischen etwas sehr Ursprünglichem, bulgarischer 9/8-Takt-Volksmusik, zusammen mit einem gewissen Lo-Fi-Charme – aber es ist natürlich auch Club-Musik. Und schließlich der Film, zu dem Felix Kubin neue Musik geschrieben hat…

… am ersten Abend …

„Dragonflies with birds and snake“ vom Künstler Wolfgang Lehmann: Das ist ein stroboskophafter Natur-Remix, ziemlich heftig.

Sie saßen mit auf dem Podium, als im November 2018 auch in Hamburg die „Erklärung der Vielen“ vorgestellt wurde, in der sich die Kulturschaffenden – zumindest sehr viele davon – positioniert haben gegen Rassismus, Ausgrenzung und rechten Populismus. Warum war Ihnen das wichtig?

Ich fang’ mal ganz vorne an: Das Anliegen des Ensemble Resonanz ist im Kern: klassische Musik als eine zeitgemäße Kunstform zu präsentieren; als etwas, das zu tun hat mit dem heutigen Leben; das als lebendige Kunst im Austausch damit steht. Dazu gehört auch das, was heute politisch passiert, oder gesellschaftlich. Unsere gerade zuende gehende Saison in der Elbphilharmonie stand ja unter dem Motto „Stimme“ …

… eröffnet im September mit dem Abend „Geburt“.

Also das allererste Erheben der Stimme. Davor hatten wir zum Beispiel einen Sommer lang erlebt, wer gerade besonders erfolgreich darin war, seine Stimme zu erheben. Das kam von rechts, von der AfD und den dort beheimateten Rechtsextremen. Da war Chemnitz ja nur ein Höhepunkt. Wir widmen uns also in einer Konzertsaison der Stimme – aber ausgerechnet die schaffen es, so laut zu sein: Die, deren Agenda wir als gefährlich empfinden; von denen wir uns persönlich bedroht fühlen, als Bürger, aber auch als Künstler. So haben wir also schon die Saison begonnen.

Und dann?

Haben wir uns natürlich auch eingebracht bei der Formulierung der Erklärung. Es ging um einen möglichst breiten Konsens und darum zu sagen: Wir wollen eine Autonomie behaupten. Natürlich, die Gefahr für eine autonome Kunst steht nicht ausschließlich rechts. Die ist sicher auch in mehrere weitere Richtungen immer wieder zu verteidigen. Dennoch – die große Sorge ist zurzeit der Blick nach rechts, die allgemeine Tendenz zu Nationalismus und Rassismus. Deswegen haben wir die Erklärung unterschrieben.

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