Entlang der Keystone-XL-Pipeline: „Die 60-Milliarden-Dollar-Frage"

Die Märkte für Teersandöl liegen in den USA und China, sagt der Ökonom Todd Hirsch. Deshalb spiele Europas Unbehagen am Abbau keine Rolle.

Für den Analysten Todd Hirsch wäre das Scheitern der Keystone XL-Pipeline ein Rückschlag, aber kein Drama. Bild: ap

taz: Herr Hirsch, was passiert in Alberta, falls die USA die Pipeline Keystone XL nicht genehmigen?

Todd Hirsch: Das wäre ein Rückschlag. Nicht nur für TransCanada, sondern auch für die Industrie hier in Alberta. Denn die Pipeline ist das größte einzelne Projekt, um unser Öl herauszubringen. Aber es gibt andere Pläne: eine Pipeline zur Pazifikküste oder zur Ostküste.

Wie reagieren die Finanzmärkte auf das Zögern der USA?

Die Märkte gucken vor allem auf die Ölpreise, die Erholung des US-Marktes und auf China. Aber wenn Mister Obama No sagt, beginnen raue Zeiten.

Wie gesund ist die Wirtschaft von Alberta?

Es ist nie gut, von einem einzigen Sektor abzuhängen. Und Öl ist hier der Hauptwirtschaftsfaktor. Aber wir haben Diversität: 2013 haben wir auch konventionelles Öl, Naturgas und Schiefergas abgebaut.

analysiert die Wirtschaft von Kanadas reichster Provinz als Chefökonom bei Alberta Treasury Branches (ATB), der größten und staatseigenen Bank von Alberta.

Hat es je die Überlegung gegeben, das Öl aus den Teersänden im Boden zu lassen?

Davon habe ich nichts gespürt. Diese Provinz ist sehr eifrig, ihre Ressourcen zu erschließen.

Warum exportiert Kanada Rohstoffe, anstatt sie selbst zu raffinieren?

Das ist die 60-Milliarden-Dollar-Frage. In Alberta gibt es viel Enttäuschung darüber, dass wir unsere Ressourcen exportieren anstatt zu Hause Wert zu generieren. Aber Entwicklung und Bau neuer Raffinerien ist teuer und dauert Jahre. Und es gibt Raffinerien im Ausland, die nicht ausgelastet sind. Die Unternehmen haben bereits Raffinerien in Chicago, in Oklahoma oder in Louisiana. In den 70er Jahren wäre es eventuell noch möglich gewesen, öffentliche Gelder zu investieren. Aber das politische Klima in Alberta hat sich verändert.

Könnte Alberta sein Öl noch exportieren, falls etwa Venezuela wieder mehr Rohöl auf den US-Markt exportiert?

Das ist Teil unserer Realität. Es gibt keine Garantie, dass Energiepreise unbefristet vorteilhaft für Alberta bleiben. Die Regierung in Venezuela könnte wechseln oder sich etwas im Nahen Osten verändern. Aber auch die Entdeckung von riesigen Energieressourcen in China würde alles verändern, weil der Weltpreis für Öl sofort dramatisch fiele.

Alternativen wie erneuerbare Energien erwähnen Sie erst gar nicht?

Die Entwicklung erneuerbarer Energie ist bislang keine Wunderwaffe, die die Kohlenwasserstoffe ersetzen könnte. Aber wir wären naiv, wenn wir glauben würden, dass die Welt immer so viel Öl und Naturgas konsumieren wird wie heute.

In Europa ist der Import von Öl aus Teersänden nicht besonders populär. Spielt das eine Rolle in Kanada?

Bei Öl ist Europa ein unbedeutendes Teil in dem Puzzle. Das ist bei der Landwirtschaft völlig anders. Unser Ölexport geht in die USA. Ein wenig auch nach China. Ich glaube nicht, dass Europa ein potenzieller Markt für unsere Energie ist. Europa reduziert seinen Kohlenwasserstoffkonsum. Und es wird aus dem Nahen Osten, aus der Nordsee und von Russland bedient.

Wie erklären Sie das große chinesische Interesse, in Teersandöl zu investieren?

Es gibt nicht viele Plätze auf der Erde, die politisch stabil sind und wo das Öl nicht von staatseigenen Unternehmen dominiert ist. In Alberta müssen ausländische Investoren sich keine Sorge um einen Militärcoup machen.

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