Enttäuschte Fechter und Schwimmer: Es herrscht die große Flaute

Fechten und Schwimmen waren einst deutsche Olympia-Erfolgsdisziplinen. Vorbei. Wie es besser werden kann, weiß niemand.

Briatt Steffen und Alexandra Wenk bei einer Sportler-Gala

Britta Steffen (r.), die Alexandra Wenk mit dem Nachwuchs-Sportpreis ehrt Foto: dpa

RIO DE JANEIRO taz | Das deutsche Fechten lebt in der Vergangenheit. 23 Medaillen haben die Fechterinnen und Fechter seit den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles geholt. Darunter waren Namen, die jeder deutsche Sportfan kennt: Anja Fichtel, Matthias Beer und Sabine Bau, Arnd Schmitt, Alexander Pusch, Imke Duplitzer und Britta Heidemann.

Aber jetzt in Rio haben sie keine einzige Medaille gewonnen. Tauberbischofsheim, wo Emil Beck seit den siebziger Jahren seine Schützlinge auf der Planche triezte und nebenher mit dem Riecher eines Kleinkriminellen ein Fechtimperium von Weltruf aus dem Boden stampfte, hatte einst bei der Konkurrenz einen Ruf wie Donnerhall. Fechten, das war eine sichere Medaillenbank – so wie Kanu, Dressurreiten oder Rudern.

Nun siecht der Standort in Tauberbischofsheim. Jedes Fechtzentrum in Deutschland, ob nun in Bonn oder Heidenheim angesiedelt, macht sein eigenes Ding, gute Trainer haben besser bezahlte Jobs im Ausland angenommen. Nur vier Fechterinnen und Fechter kämpften in Rio – und kein einziges Team.

Sie sind alle recht früh ausgeschieden, zuletzt Matyas Szabo mit dem Säbel im Viertelfinale gegen den US-Amerikaner und späteren Silbermedaillengewinner Daryl Home. Nach seinem Kampf in der Carioca-Arena versuchte Szabo, zu erklären, was im deutschen Fechten alles schiefläuft.

Infrastrukturelle Probleme

„Deutschland ist nicht mehr weit oben in der Weltspitze, wir halten infrastrukturell nicht mehr mit den großen Nationen wie Ungarn, Südkorea, Russland oder Italien mit. Die haben Vollprofis, und ich muss sehen, dass ich etwas aus meinem Leben neben dem Sport mache“, sagte Szabo, der von seinem Vater trainiert wird. Er studiert Medien- und Kommunikationsmanagement in Köln. Würde er nicht auch von der Bundeswehr gefördert, er müsste, so Szabo, noch bei seinen Eltern leben „und mit dem Rad zum Training fahren“.

Max Hartung, der Athletensprecher im Fechter-Bund ist und vor Szabo aus dem Turnier schied, ging noch tiefer in die Analyse: „Die Basis bricht insgesamt ein bisschen weg. Die Vereine funktionieren nicht mehr so gut wie früher.“ Viele Sponsoren, die früher Vereine gefördert haben, verabschieden sich vom Fechten. „Und auch die Menschen sind nicht mehr begeistert vom Fechten. Man muss den Leuten klarmachen, dass das hier ein tolles Event ist. Wir sind ja in Deutschland eigentlich ein leistungsfähiges Land.“

Diese Auffassung bestimmt Hartungs Sicht auf den deutschen Fechtsport. „Ich verstehe nicht ganz, warum in Deutschland so viel Fußballbegeisterung herrscht und die Leute bis in die unteren Klassen Fußball gucken und das auch noch übertragen wird.“

Ist er neidisch auf die Fußballer? „Nein, es wäre zu einfach, zu sagen, der Fußball grast alles ab, der olympische Sport muss schon seine Hausaufgaben selber machen.“ Aber wie? Neue Leute in der Verbandsführung? Im Herbst steht ein Personalwechsel an der Spitze des Verbandes an. Claudia Bokel verlässt turnusmäßig die IOC-Athletenkommission und wird wahrscheinlich als Fechtpräsidentin eine lange To-do-Liste abarbeiten müssen.

Seit acht Jahren keine Schwimmmedaille mehr

„Es ist an der Zeit, etwas zu verändern“, sagt der noch amtierende DFeB-Präsident Dieter Lammer. „Wir wissen ganz genau, was auf uns zukommt. Wir werden die Arschbacken zusammenkneifen“, sagt Sportdirektor Sven Ressel. Aber neu sind diese Ankündigungen nicht. Schon 2012 haben sie im Verband nach miesen Ergebnissen bei Juniorenwelt- und Europameisterschaften das Projekt mit dem sperrigen Titel „Stärkung der dezentralen Strukturen im Nachwuchsleistungssport“ angeschoben.

Doch jetzt wird der Ruf nach zentralistischer Steuerung laut. „Es ist wie bei einem Körper“, sagte Didier Ollagnon, Bundestrainer der deutschen Degen-Herren, unlängst in der taz. „Die Organe im Körper müssen zusammenarbeiten. Wenn die Beziehungen der Organe nicht stimmen, gibt es massive Pro­bleme.“ So gesehen ist auch der deutsche Schwimmkörper nicht ganz gesund, denn hier liegen die olympischen Erfolge ebenfalls lange zurück.

Britta Steffen wurde in Peking Doppelolympiasiegerin über 50 und 100 Meter Freistil. Und das ist auch acht Jahre her. Und seither? Medaillenflaute. Was im Dopingsport Schwimmen per se nicht schlimm ist; aber die Funktionäre des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und die Sportverwalter und -finanziers im Bundesinnenministerium werden deswegen natürlich nervös. “Die bisherigen Ergebnisse im Schwimmen sind enttäuschend“, sagt Dirk Schimmelpfennig, Sportchef der deutschen Olympia-Mannschaft.

Die Schwimmer und die Fechter werden nicht die Einzigen sein, die zum Rapport müssen. Rechtfertigen müssen sich auch die medaillenlosen Wildwasserkanuten. Den Verbänden, die nichts mehr reißen, drohen Einschnitte. 6 von 19 Olympia-Stützpunkten und 50 von 205 Bundesstützpunkten stehen wohl vor dem Aus. Das deutsche Sportsystem soll gestrafft werden.

Im Vergleich mit Usain Bolt

Die Schwimmer wollen sich gegen die harte Linie wehren: „Wenn wir jetzt nicht richtig investieren, können wir es sofort sein lassen“, sagte der Chefcoach der deutschen Schwimmer, Henning Lambertz.

Säbelfechter Matyas Szabo hat sich bei all den Diskussionen über Medaillen und Fördersysteme eine entspannte Weltsicht erhalten. „Ich mache den Sport nicht, um berühmt zu werden, das möchte ich gar nicht“, sagt er.

„Ich habe in der Kantine im olympischen Dorf gesehen, wohin das führen kann. Usain Bolt kann nicht mal in Ruhe zum Frühstück gehen – eine absolute Katastrophe.“ Dieses Pro­blem haben die deutschen Fechter und Schwimmer definitiv nicht.

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