Enttäuschung an der SPD-Basis: Auf Euphorie folgt Ernüchterung

Das Ergebnis in Schleswig-Holstein verpasst auch den Berliner Genossen einen Dämpfer. Tenor: Schulz muss jetzt mal liefern.

Ein Mann grinst mit geschlossenen Augen etwas merkwürdig

„Ouh!“, „Ach, Du Gott“, „Oh, das ist bitter!“ kam es von den Stehtischen Foto: dpa

BERLIN taz | Im Willy-Brandt-Haus hatten sie Sekt gar nicht erst erst im Angebot. Der wurde ja dann auch nicht gebraucht. Die krachende Niederlage der Genossen an der Küste quittierten die versammelten Genossen in Berlin mit Schmerzenslauten. „Ouh!“, „Ach, Du Gott.“, „Oh, das ist bitter!“ kam es von den Stehtischen.

Woran es gelegen hat? Das falsche Interview zur falschen Zeit, so eine Einschätzung. Gemeint war das Interview, in welchem der scheidende SPD-Ministerpräsident Thorsten Albig der Zeitschrift „Bunte“ Einblicke in seine gescheiterte Ehe gegeben hatte. Aus der Parteizentrale heißt es: Die Sozialdemokraten an der Küste hätten eigentlich kein Thema gehabt. Dass Albig in letzter Minute damit punkten wollte, keinen Abschiebungen nach Afghanistan zuzustimmen, sei für die Bürger doch eher ein esoterisches Thema gewesen.

Dieses Manko ist ja durchaus auf die Bundesebene übertragbar. Kanzlerkandidat Martin Schulz hat seinen wolkigen Versprechen von sozialer Gerechtigkeit bisher nichts Substantielles hinzugefügt. Diese Leere fällt langsam auch den Getreuen auf. „Die Schulz-Euphorie verpufft so langsam“, meint ein Mitglied. „Sie würde nicht verpuffen, wenn er endlich mal seine Thesen öffentlich machen würde“, entgegnet eine Genossin am gleichen Tisch energisch.

„Seinen Lebenslauf kenne ich jetzt. Er muss jetzt mal konkret werden“, meint ein anderer, langjähriger SPD-Wähler. „Der Bürger will wissen, wo der Euro hinfließt, wo die Schulen gebaut werden.“ Für den Mann steht fest: „Der Schulz-Effekt hat mit dieser Wahl eine deutliche Delle bekommen.“ Seine Begleiterin geht sogar noch weiter. „In Nordrhein-Westfalen wird das noch weiter runter gehen.“

Alle Reserven für NRW mobilisieren

Eine dreiviertel Stunde nach der ersten Prognose erscheint Parteichef Martin Schulz schließlich selbst, um den Genossen an den Stehtischen Mut zuzusprechen. Er sei enttäuscht, da gebe es nichts drumherum zu reden, sagte ein abgekämpft wirkender Parteichef. „Aber die SPD steckt solche Niederlagen weg und geht erhobenen Hauptes in die nächste Auseinandersetzung.“

Am nächsten Sonntag wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. Die letzten Umfragen zeigen, dass sich SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und CDU-Herausforderer Armin Laschet ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gilt auch als Stimmungstest für die Bundestagswahl im September.

An diesem Montag wird Martin Schulz seine wirtschaftspolitischen Vorstellung vor der Berliner Industrie- und Handelskammer erläutern. Der Termin ist lange geplant, passt aber jetzt umso besser. „Wir zeigen, dass wir uns nicht aus dem Tritt bringen lassen“, so ein SPD-Sprecher. Ob der Tritt doch nur ein Trott war, wird sich dann am Sonntag zeigen.

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