Equal Pay Day in Berlin: Wenn Teilzeit mehr Arbeit macht

Die Bildungsverwaltung setzt ein Urteil zur Teilzeitarbeit nicht um, kritisieren Frauenvertreterinnen. Dadurch würden weibliche Lehrkräfte diskriminiert.

Lehrerin an der Tafel

Rechnet sie aus, wieviel Arbeit Teilzeit macht? Lehrerin in Berlin Foto: dpa

Eigentlich gibt es an dem Konzept Teilzeit nicht viel misszuverstehen: Man stellt die eigene Arbeitskraft nur noch eingeschränkt zur Verfügung – etwa weil man Kinder zu Hause hat, um die man sich kümmern muss.

So hatte es auch Stefanie Fischer* gemacht. Die Grundschullehrerin aus Schöneberg arbeitet auf einer Drei-Viertel-Stelle, das sind 22 Unterrichtsstunden pro Woche. Hinzu kommen jedoch Aufgaben nach Unterrichtschluss: Konferenzen, Dienstbesprechungen, Schulfeste. „Und da wird oft keine Rücksicht auf uns Teilzeitkräfte genommen“, klagt Fischer. Häufig kollidierten Konferenzzeiten mit Kita-Öffnungszeiten, für den Einsatz auf Schulfesten gebe es keinen Ausgleich.

So wie Fischer geht es vielen Teilzeitkräften in den Schulen. Anfang März schrieben Frauenvertreterinnen aus Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf deshalb einen Offenen Brief an Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Darin werfen sie ihr vor, ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2015 nicht ordentlich umzusetzen – und so mittelbar die weiblichen Lehrkräfte zu diskriminieren.

Der überwiegende Teil der Teilzeit beschäftigten LehrerInnen sind Frauen. Ende 2016 waren laut der Senatsbildungsverwaltung von 8.000 Teilzeitbeschäftigten 6.700 weiblich – rund 84 Prozent. Die Zahl ist allerdings auch deswegen so hoch, weil der Lehrerjob insgesamt ein Frauenberuf ist: 72 Prozent der rund 31.000 LehrerInnen in Berlin sind Frauen.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte entschieden, dass Teilzeit auch nach Unterrichtsschluss gelten muss. Tatsächlich nahm die Bildungsverwaltung daraufhin verbindliche „Maßnahmen“ in ihren Frauenförderplan 2015-2017 auf: zum Beispiel, je nach Umfang der Teilzeitbeschäftigung, ein bis zwei unterrichtsfreie Tage pro Woche. Auch Kita-Öffnungszeiten will man beachten: „Familienfreundliche Regelungen bei außerunterrichtlichen Veranstaltungen und Aktivitäten“, heißt es unter dem Punkt „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“.

Die Schulen sollten in ihren Gesamtkonferenzen – also der Konferenz aller Lehrkräfte und ErzieherInnen – diese Maßnahmen beschließen und danach die Beschlüsse den Frauenvertreterinnen der Bildungsverwaltung vorlegen. „Bis heute sind uns jedoch so gut wie keine Gesamtkonferenzbeschlüsse vorgelegt worden“, heißt es in dem Offenen Brief.

Frauen verdienen im Schnitt deutlich weniger als Männer – unter anderem weil sie, zum Beispiel um Job und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen, häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer. Im Bundesdurchschnitt beträgt diese „Lohnlücke“ 21 Prozent. Berlin liegt mit 14 Prozent darunter.

Der Equal Pay Day markiert den Termin, bis zu dem Frauen über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssen, damit sie auf das durchschnittliche Vorjahresgehalt ihrer männlichen Kollegen kommen. In Deutschland findet der internationale Aktionstag am heutigen Samstag statt. (akl)

Nun könnte man sagen: Ist doch egal, ob es einen Konferenzbeschluss gibt – die Schulleitungen können das ja in Eigenverantwortung regeln. So argumentiert auch die Bildungsverwaltung: Ein allzu konkrete Reglementierung behindere nur die Schulleitungen in ihrer Flexibilität. Sie befördert jedoch, dass Schulleitungen sich wegducken, sagen die Frauenvertreterinnen: Was nicht verbindlich beschlossen wurde, lasse sich nur schwer einfordern.

Diese Erfahrung hat auch Lehrerin Fischer gemacht. Um den freien Tag, der ihr verbindlich zusteht, kämpft sie bisher vergebens. Immerhin habe sie mit Kolleginnen durchsetzen können, dass Dienstbesprechungen nicht mehr „open end“ gehen, sondern „nur noch bis um vier die Kita zu macht“. „Bisher muss so etwas jede Lehrkraft im Einzelfall durchboxen“, kritisiert der Sprecher der Berliner Lehrergewerkschaft GEW Markus Hanisch. Die GEW fordert deshalb von der Senatsbildungsverwaltung eine „Orientierungshilfe“ für die Schulleitungen, wie sie das Teilzeit-Urteil konkret umsetzen sollen.

Protest für gleiche Bezahlung

Demo für gleiche Bezahlung, am Equal Pay Day 2016 Foto: dpa

Fischer sagt, sie verstehe durchaus, warum ihre Schulleitung ihr den freien Tag nicht kampflos gebe. Denn obwohl die Bildungsverwaltung es den Schulleitungen überlässt, für die Entlastung der Teilzeitkräfte zu sorgen: Mehr Personalressourcen sind nicht vorgesehen. GEW-Sprecher Hanisch sieht Senatorin Scheeres deshalb in der Pflicht: „Ohne zusätzliche Ressourcen wird das Teilzeit-Urteil nicht umzusetzen sein.“

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