Ermittlungen gegen Islamisten: Im Visier der Polizei

In Stuttgart durchsuchten rund 70 Polizisten einen mutmaßlichen Treffpunkt von Islamisten. Insgesamt wird bereits gegen 106 Beschuldigte ermittelt.

Islamisches Bildungs- und Kulturzentrum Mesdschid Sahabe in Stuttgart. Bild: dpa

STUTTGART/KARLSRUHE dpa/afp | Rund 70 Polizisten haben am Dienstag einen mutmaßlichen Treffpunkt von Islamisten in Stuttgart durchsucht. Bei dem Verein Islamisches Bildungs- und Kulturzentrum Mesdschid Sahabe handelt es sich nach den Worten von Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) um eine von Salafisten dominierte Einrichtung. „Es besteht der konkrete Verdacht, dass der Verein Verbotsgründe nach dem Vereinsgesetz erfüllt“, sagte Gall. Die Mitglieder sollen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) unterstützen.

Ob die Beweise aber ausreichen, um den Verein zu verbieten, konnte das Innenministerium zunächst nicht sagen.

Neben den Vereinsräumen durchsuchte die Polizei die Wohnungen von sechs Mitgliedern. Der Verein sei ein Treffpunkt von Islamisten aus ganz Baden-Württemberg, erklärte Gall. Seit 2013 seien sechs Personen aus dem Umfeld der Organisation in Richtung Syrien gereist, um dort an Kämpfen teilzunehmen – drei seien wahrscheinlich inzwischen dort gestorben. Die Ermittler vermuten, dass der Verein seine Besucher entsprechend beeinflusst.

Ermittlungen gegen 106 IS-Rückkehrer

Die Zahl der Ermittlungen gegen zurückgekehrte mutmaßliche Kämpfer der Dschihadistengruppe IS ist innerhalb eines Jahres massiv angestiegen. Die Bundesanwaltschaft führt mittlerweile 68 Ermittlungs- und Strafverfahren gegen insgesamt 106 Rückkehrer, wie Generalbundesanwalt Harald Range am Montagabend in Karlsruhe mitteilte. Anfang vergangenen Jahres waren es dagegen nur fünf Verfahren mit acht Beschuldigten.

In Düsseldorf soll ein 22-jähriger Mülheimer als mutmaßlicher IS-Terroristvor Gericht gestellt werden. Der Generalbundesanwalt hat beim Düsseldorfer Oberlandesgericht Anklage gegen den Deutschen Nezet S. erhoben, der sich in Syrien der Terrormiliz angeschlossen haben soll. Das teilte die Behörde in Karlsruhe mit.

S. soll im Juli 2014 über die Türkei nach Syrien gereist sein, wo er eine Waffenausbildung erhalten und sich am Kampf beteiligt habe. Nach nur einem Monat sei der Mann nach Deutschland zurückgekehrt. Der Syrien-Rückkehrer war im vergangenen September festgenommen worden.

Anzahl der Ermittlungen werden zunehmen

Generalbundesanwalt Range geht davon aus, dass die Zahl der Verfahren zu IS-Rückkehrern weiter steigen wird: Die Bevölkerung solle vor Anschlägen geschützt werden. Deshalb würden gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden „große Anstrengungen unternommen, um diesen Personenkreis in Haft nehmen, anklagen und verurteilen zu können“, sagte der Generalbundesanwalt.

Die Bundesregierung will Extremisten künftig auch mit dem Entzug des Personalausweises an der Ausreise nach Syrien oder Irak hindern. Das Kabinett hatte Mitte Januar beschlossen, Verdächtigen stattdessen einen Ersatzausweis auszustellen, mit dem sie Deutschland nicht verlassen dürfen.

Die IS-Miliz beherrscht in Syrien und im Irak riesige Gebiete und hat dort ein sogenanntes Kalifat ausgerufen. Nach Schätzungen des US-Geheimdienstes CIA kämpfen inzwischen rund 20. 000 Menschen aus 90 Ländern für den IS. Der Salafismus, der eine „islamische Ordnung“ mit islamischer Rechtsprechung (Scharia) als einzig legitime Staats- und Gesellschaftsform ansieht, wird nur von einer kleinen Minderheit der Muslime getragen.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt Range zufolge überdies gegen Angehörige des Regimes des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Assads Armee wird unter anderem der Einsatz von Chemiewaffen vorgeworfen. Im seit vier Jahren andauernden syrischen Bürgerkrieg kamen Schätzungen zufolge bislang rund 215.000 Menschen ums Leben.

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