Essays von Zadie Smith: Kommt von Herzen

Im persönlich inspirierten Erzählen liegt ihre große Stärke. Das zeigt die Autorin in ihren autobiografischen wie auch in sachlichen Essays.

Die Schriftstellerin vor zwei Mikrofonen

Die Schriftstellerin im Kulturhaus Nato in Leipzig. Foto: imago/Sebastian Willnow

Was haben Greta Garbo, E. M. Forster, Barack Obama und Franz Kafka gemeinsam? Auf den ersten Blick vielleicht recht wenig. Aber jetzt doch immerhin dieses: Zadie Smith hat über sie geschrieben. Das macht sie – und die meisten anderen Personen, die in Smith’ Essays vorkommen – zu Charakteren in einer großen Sacherzählung. In den englischsprachigen Ländern ist Zadie Smith nicht nur als Romanautorin renommiert, sondern auch als Verfasserin journalistischer Textformen bekannt – Essays, Rezensionen, Reportagen –, die sie für verschiedene britische und amerikanische Printmedien schrieb. Es sind Auftragsarbeiten, manchmal sind es auch Vorträge, für die sie über die Jahre immer wieder angefragt wurde.

Schließlich wurden diese „Gelegenheitsessays“, wie sie im Untertitel des eben auf Deutsch erschienenen Buches heißen (das englische Original erschien bereits 2009), in einem Band zusammengefasst. Es sind Texte über Literatur, über Filme, über das Leben und auch aus dem Leben der Familie Smith selbst. Natürlich sind diese Essays insgesamt sehr unterschiedlich in ihrer thematischen und gedanklichen Ausrichtung. Was sie vereint, ist ihr narrativer Duktus.

Die autobiografischen Texte, in denen Smith über ihre Familie, insbesondere ihren verstorbenen Vater schreibt, geizen nicht mit privaten Details – wie zum Beispiel, dass die Autorin die Asche ihres Vaters zeitweilig in einer Tupperdose aufbewahrte –, ohne dass dabei je das Gefühl aufkäme, hier würde ein Autorinnen-Ich sich und die Nächsten über Gebühr entblößen. Bei aller persönlichen Beteiligung besteht durchgehend ein gewisser erzählerischer Abstand zwischen dem Autorinnen-Ich und jenem Etwas, das man das erzählte Ich nennen könnte. Beim Schreiben macht die Autorin das Leben der eigenen Familie zum Gegenstand, objektiviert es damit sozusagen. Umgekehrt ist ihre Herangehensweise an andere, außerhalb des privaten Rahmens liegende Themen mitunter eine sehr persönliche.

Exemplarisch dafür stehen die Filmbesprechungen, die Smith bereits vor etlichen Jahren für den Sunday Telegraph verfasste. Der Fellini-Klassiker „Bellissima“ mit Anna Magnani in der Hauptrolle ist ihr spürbar ein Herzensanliegen. In diesem Text gelingt es Smith, die persönliche Wirkung der Magnani und die Geschichte von deren Filmfigur in einem erzählerischen Strang zusammenzuführen und dabei auch noch mit der Frage nach der Existenz oder Nichtexistenz eines italienischen Feminismus zu verquicken. In einem anderen Text zeichnet sie anregend das Leben und die Karriere der Garbo nach, und in ihrem Kafka-Essay kontrastiert Smith ihre Erzählung vom Leben des Autors mit der Frage nach unseren überlieferten Vorstellungen von Kafka als einer fast mythischen Autorenfigur.

Es ist in erster Linie der souveräne Erzählton der Autorin, der all diesen unterschiedlichen Arbeiten gemeinsam ist. Dieser beginnt vor allem dort zu strahlen, wo die Texte von Personen handeln, die spürbar ihre Fantasie anregen. Magnanis Bellissima etwa sieht man vor dem inneren Auge schon fast als Figur eines Smith-Romans vor sich. In analytischer Hinsicht durchaus verdienstvoll, aber deutlich weniger vor Esprit sprühend sind da im Vergleich die Essays über englische Literaturklassiker (meist als Vorworte für irgendwelche Neuausgaben verfasst). Und auch die Reportage, die Smith im Rahmen einer von Oxfam organisierten Pressereise nach Liberia schrieb, wirkt im Vergleich eher wie eine ordentliche, aber verhältnismäßig uninspirierte Pflichtübung.

Dass all diese Texte Eingang in den Band gefunden haben, ist dennoch nicht schlecht, zeigt es doch den Normalsterblichen, dass auch berühmte Autorinnen nicht alles gleich gut können. Wieso auch? Das mag jetzt sowieso Nörgeln im Angesicht hohen Niveaus sein. Denn eines ist Smith auf jeden Fall sicher, worüber auch immer sie schreibt: dieser ungeheuer souveräne Erzählton.

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