Etwas Demokratie wagen: „Wir sollten gesprächsbereit sein“

Die FDP soll in Niedersachsen mit Grünen und SPD verhandeln, wenn die große Koalition nicht klappt – fordert ihre Nachwuchsorganisation, die JuLis

Pinke, gelbe und auch blaue Julis gibt's schon. Sogar grüne wären in Niedersachsen denkbar Foto: (dpa)

taz: Frau Röckendorf,warum klammert sich die FDP in Niedersachsen so an die CDU?

Mareike Röckendorf: Wir haben bei der SPD und den Grünen in den vergangenen fünf Jahren einfach ganz arge Probleme gesehen. Unsere Schnittmengen hatten wir meist mit der CDU. Deswegen war es vor der Wahl vermutlich der erste Gedanke, eine Ampel-Koalition auszuschließen. Aber in anderen Bundesländern haben wir sehr wohl gezeigt, dass wir in verschiedenen Konstellationen erfolgreiche liberale Politik machen können.

Und zwar?

In Schleswig-Holstein haben wir eine Jamaika-Koalition und das war im Nachhinein auch gar kein Problem. In NRW machen wir erfolgreiche Politik mit der CDU und in Rheinland-Pfalz sind wir ja schon in einer Ampel. Ein Klammern an die CDU sehe ich nicht mehr so stark.

24, ist stellvertretende Landesvorsitzende und Pressesprecherin der Jungen Liberalen (Julis) in Niedersachsen. Sie hat einen Master in Betriebswirtschaftslehre und bereitet sich gerade auf ihr Steuerberaterexamen vor.

Hätten Sie eine Regierung mit SPD und Grünen in Niedersachsen gut gefunden?

Es geht vor allem darum, dass man überhaupt miteinander redet. Dann kann die Partei entscheiden. Zeigt die Ampel grün und man kann in eine Koalition gehen oder rot, weil die Schnittmengen doch nicht reichen?

Also wäre es Ihnen wichtig gewesen, dass sich Ihre Parteispitze über Inhalte mit der SPD unterhalten hätte, statt dort nur einen Kaffee zu trinken?

Absolut. Da hätte man schon eine Kanne hinstellen müssen. Die FDP hätte die Koalition nicht schon vor der Wahl ausschließen dürfen. Ich selbst bin nach der Bundestagswahl 2013 in die Partei eingetreten und habe den Erneuerungsprozess intensiv begleitet. Diese Ausschließeritis passt für mich nicht dazu. Ich erlaube mir kein Urteil, ob die Mehrheit der Partei für oder gegen eine Ampel ist. Das wurde aber auch nicht geklärt.

Der Vorstand hat die Ampel-Absage im Alleingang beschlossen, statt die Mitglieder zu befragen.

Wir haben uns keine demokratische Legitimation geholt. Das ist mein Kernproblem. Die Jungen Liberalen haben beim letzten Landesparteitag der FDP im August – deutlich vor dem Wahltermin – einen Antrag eingereicht, in dem wir darüber abstimmen lassen wollten, ob der Landesvorsitzende eine Koalitionsaussage macht. Dieser Antrag ist nicht beraten worden.

Warum sind die Jungen Liberalen (Julis) mit der Forderung nach Sondierungsgesprächen nicht durchgedrungen?

Tatsächlich haben die Jungen Liberalen diesen Beschluss ja erst am Wochenende gefasst. Unser Landesvorstand hat noch am Donnerstag ein Papier veröffentlicht, in dem stand, dass man beim Nein zur Ampel bleiben muss. Aber die 150 Teilnehmer des Kongresses am Wochenende haben sich für die Forderung entschieden, dass – wenn die Groko-Verhandlungen scheitern – man die Ampel sondieren muss. Genau so einen demokratischen Prozess hätten wir uns von der Partei gewünscht.

Die FDP hatte eine Koalition mit SPD und Grünen vor der Wahl ausgeschlossen. Hätten Sie es legitim gefunden, wenn die Partei trotzdem ernsthafte Gespräche geführt hätte?

Man hätte zumindest in der Partei darüber diskutieren müssen. Wir sind eine demokratische Partei und sollten nach einem Wahlabend gesprächsbereit sein. Es darf nicht die Parteitaktik im Vordergrund stehen, sondern die Suche nach Lösungen.

Landeschef Stefan Birkner wird Angst gehabt haben, sein Gesicht zu verlieren.

Es ist die Frage, was schlimmer ist und ob man persönliche Befindlichkeiten in den Vordergrund stellen sollte. Letztendlich sind wir eine Partei. Die Wähler haben uns einen Auftrag mitgegeben und gerade im Jungwählerbereich gibt es den Wunsch, dass die FDP an der Regierung beteiligt ist. Verantwortung zu übernehmen, halte ich nicht für einen Gesichtsverlust. Es ist eher schwierig, eine Blockadehaltung einzunehmen.

Die FDP hat als Grund für den Ampel-Ausschluss die Grünen genannt hat, bei einer Jamaika-Koalition hätte sie aber mitgemacht. Widersprüchlich.

Bei einer Ampel könnte bei vielen Wählern auch der Eindruck entstehen: Die verlängern jetzt doch nur die alte rot-grüne Koalition. Und Jamaika wäre in der Tat ja etwas völlig anderes.

Warum sind die Julis trotzdem gegen die Koalition?

Jamaika kann nur die Lösung nach dem Scheitern aller Verhandlungen mit der SPD sein, weil die der klare Wahlsieger ist. Wir als Julis haben in den letzten Jahren häufiger Schnittmengen mit der SPD festgestellt, die unsere Partei vielleicht nicht sieht. Ganz zentral ist für uns da das Thema Wahlrecht ab 16 Jahren. Mit der CDU ist da kein Millimeter Bewegung zu erreichen.

Wenn es wieder Opposition heißt, was müssen die Liberalen anders machen als bisher?

Sie müssen sich organisatorisch, inhaltlich und strukturell anders aufstellen, um Gehör zu bekommen.

Das heißt, sie müssen alles anders machen?

Nicht alles, aber sie sollten einen anderen Fokus setzen. Die FDP muss etwa im Social-Media-Bereich stärker agieren. Dadurch erreicht man gerade die Zielgruppe, die die FDP sehr stark gewählt hat: die Jung- und Erstwähler. Inhaltlich sollte man die Themen ansprechen, die der Groko weh tun und wo sie sich untereinander nicht einig sind – zum Beispiel beim Wahlalter.

Haben Sie Sorge, dass die FDP zwischen Grünen und AfD in der Opposition untergeht?

Das glaube ich nicht, weil wir starkes Personal haben, das den Landtag in der vergangenen Legislatur schon gut beschäftigt und Fehler der Regierung aufgezeigt hat. Das werden wir auch weiterhin so machen. Wir haben auch starkes junges Personal.

Aber die Abgeordneten sind doch alle schon relativ alt.

Björn Försterling ist weiterhin Mitglied der Jungen Liberalen.

Mit 35 Jahren.

Er ist tatsächlich in seiner Endphase bei uns, aber als ehemaliger Landesvorsitzender haben wir einen sehr guten Draht zu ihm. Aber natürlich hätten wir uns gewünscht, dass noch jüngere Abgeordnete in den Landtag einziehen. Da werden wir bei zukünftigen Listenaufstellungen stärker drauf drängen, dass sämtliche Bevölkerungsgruppen auf der Liste dargestellt werden.

Mit einer Quote?

Nein.

Die Julis wollen, dass die FDP nicht länger eine Klientelpartei ist. Wie soll das klappen?

Der Erneuerungsprozess der Bundespartei war sehr erfolgreich. Wenn uns Kompetenzwerte zugesprochen werden, sind das ja gar nicht mehr unbedingt die Klientelbereiche. Gerade die jungen Wähler sind nicht die klassischen Besserverdienenden.

Aber vielleicht die, die darauf hoffen.

Das stellen Sie jetzt so dahin. Ich glaube, jeder sollte die besten Chancen haben, im Leben etwas aus sich zu machen. Und nicht für jeden hängt das Lebensglück davon ab, wie der Kontostand aussieht.

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