Euro16 in Frankreich: Ein mieser Modus

Die EM beginnt am Freitag mit 24 Teams. Nach der Vorrunde scheiden nur acht aus. Das gehört zu den Absurditäten dieses Turniers.

Ein kleiner Junge steht mit dem Deutschlandtrikot vor dem Bundeskanzleramt.

Der Fan: Dieser kleine Fußballfreund freut sich schon auf Vorrundenfußball Foto: dpa

Mutmaßlich wird sich weder Joachim Löw noch Vicente del Bosque jene Konsequenz erlauben, die Norio Sasaki zog. Dabei würden die Nationaltrainer, die bei der EM in Frankreich bekanntlich Weltmeister Deutschland und Europameister Spanien befehligen, es einem japanischen Weltmeistertrainer gleichtun, der aus demselben Modus mit 24 Teilnehmern bei der Frauen-WM in Kanada vor einem Jahr radikale Schlussfolgerungen gezogen hatte.

Die Japanerinnen waren in ihrer Vorrunde aufgrund ihrer technischen Überlegenheit ähnlich favorisiert, wie es jetzt die Deutschen und die Spanier sind. Und ein Scheitern in den sechs Vierergruppen ist für ein Topteam im Grunde dann unmöglich, wenn das Auftaktmatch gewonnen wird. Kaum hatte der Frauen-Weltmeister 2011 mühsam die Schweiz bezwungen, griff der Masterplan: In den nächsten Partien tauschte Sasaki erst auf fünf, dann auf sieben Positionen und setzte mit Erina Yamane, Ayumi Kaihori, Mihu Fukumoto alle seine drei Torhüterinnen ein! „Alles beginnt erst mit dem Achtelfinale“, erläuterte der höfliche Herr, vorher müsse der Kader bei Laune gehalten und dürfe wenig Kraft vergeudet werden.

Sein Kollege, Frankreichs Nationaltrainer Philippe Bergeroo, erklärte: „Es geht nur darum, ohne Verletzungen und ohne Gelbe Karten weiterzukommen.“ Es besteht ein krasses Missverhältnis, wenn 36 Vorrundenspiele allein dazu dienen, die acht schlechtesten Teams zu verabschieden. Japan kickte sich im Sparmodus durch die Vorrunde, um mit der K.-o.-Phase in den Wettkampfbetrieb zu schalten. Erst im Finale von Vancouver setzten vom Titel beseelte US-Girls das Stoppschild.

Nun sind eine Frauen-WM und Männer-EM nur bedingt vergleichbar, dennoch ist der Seitenblick erhellend, weil manche Konstellation geradezu grotesk wirkte: In der deutschen Gruppe wusste Thailand am 15. Juni 2015 nicht, ob das Turnier nach einem 0:4 gegen Deutschland beendet ist. Grund: Der WM-Neuling hatte drei Punkte auf dem Konto und hing als Gruppendritter in Winnipeg im Wartestand fest. Wer waren die besten vier Gruppendritten? Zwei Tage quälende Ungewissheit in der kanadischen Prärie, wo kein Training und keine Pressekonferenzen stattfanden. Schlussendlich erreichten Schweden und die Schweiz ebenfalls nur drei Punkte, besaßen aber die bessere Tordifferenz. Für Thailand hieß das: Und tschüss!

Betroffen könnten nun die Dritten der Gruppen A und B sein, vielleicht also die Schweiz oder Wales, die zwei oder drei Tage ausharren müssen, bis am 22. Juni in den Gruppen E und F die Gruppenphase abgeschlossen ist. Erst dann ist der Quervergleich möglich. Nach diesem Tableau wurde bei den WM-Turnieren von 1986 bis 1994 gespielt.

Losentscheid ausgeschlossen

War es mit dem Weiterkommen der vier besten Gruppendritten besser? 1986 in Mexiko mogelten sich Bulgarien und Uruguay allein mit zwei Unentschieden in die nächste Runde, 1990 in Italien kamen die hoch gehandelten Niederländer mit dreimal Remis weiter (und mussten deshalb das Achtelfinale gegen Deutschland spielen), 1994 in den USA zitterte Italien bei vier Zählern.

Für die EM 2016 ist auf jeden Fall der Losentscheid ausgeschlossen: Erst zählen die Punkte, dann die Tordifferenz, danach die Anzahl erzielter Tore und dann das Fairplay-Verhalten der Mannschaften. Löw sagte nach der Auslosung, er fände aus sportlicher Sicht ein 16er-Feld besser, aber „am Ende werden sich immer die stärksten Mannschaften durchsetzen“. Und: „Ob ein Turnier nun mit acht, 16 oder 24 Mannschaften gespielt wird, spielt für mich da keine Rolle.“

Wirklich nicht? Es würde nicht überraschen, sollte auch der Bundestrainer in der Gruppenphase kräftig rotieren lassen – nur dreimal den Torwart tauschen, das wird er eher nicht tun. Der listige Sasaki ist übrigens vor drei Monaten zurückgetreten. Der 57-Jährige hatte die Qualifikationen zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro in den Sand gesetzt.

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