Europäisch-kanadischer Wirtschaftspakt: Ceta könnte noch scheitern

Deutsche FreihandelsgegnerInnen wollen das Abkommen über den Bundesrat kippen. Die italienische Regierung will den Wirtschaftspakt nicht ratifizieren.

Menschen ziehen ein Holz-Pferd

Proteste in Wien: Trojanisches Ceta-Pferd als Transporteur wirtschaftlicher Interessen Foto: reuters

BERLIN taz | Mit Pauken und Trompeten wollen FreihandelskritikerInnen am Sonntag in Berlin vor die Landesvertretungen von Hessen, Hamburg und Baden-Württemberg ziehen. Im bayrischen Grafing demonstrieren sie unter dem Motto „Mia ham’s satt!“. Auch an mehr als 30 weiteren Orten soll es beim bundesweiten Aktionstag gegen das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Kundgebungen und Proteste geben. Die AktivistInnen wollen den umstrittenen europäisch-kanadischen Wirtschaftspakt Ceta kippen, auch wenn der seit einem Jahr bereits teilweise gilt. Sie setzen auf die Hilfe des Bundesrats.

„Schwerpunkt der Aktionen sind wegen der anstehenden Landtagswahlen Bayern und Hessen“, sagt Anne Bundschuh, Sprecherin des Bündnisses für gerechten Welthandel, das den Aktionstag ausgerufen hat. Rund 60 Organisationen haben sich hier zusammengeschlossen, vom Netzwerk Attac über den DGB und den Naturschutzbund BUND bis zum Deutschen Kulturrat.

Seit Herbst 2017 ist Ceta teilweise in Kraft getreten. Damit wurden fast alle Zölle zwischen der EU und Kanada abgeschafft. Die EU-Kommission und Wirtschaftsverbände sind für das Abkommen, weil sie sich davon Wachstum versprechen. KritikerInnen fürchten, dass durch den Pakt europäische Standards etwa beim Verbraucherschutz abgesenkt und demokratische Entscheidungen ausgehöhlt werden. Hunderttausende protestierten jahrelang gegen Ceta und das Schwesterabkommen TTIP zwischen der EU und den USA, das allerdings vorerst gescheitert ist. Auch die in Ceta vorgesehenen umstrittenen Klagerechte für Unternehmen gegen politische Entscheidungen sind bislang nicht realisiert worden. Dazu müssen erst alle EU-Staaten den Pakt ratifiziert haben.

In Deutschland müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen. Üblicherweise enthalten sich Länder bei Abstimmungen im Bundesrat, wenn die Regierungsparteien uneinig sind. „Wenn sich alle Landesregierungen, an denen Grüne und Linke beteiligt sind, im Bundesrat enthalten, haben wir eine realistische Chance, Ceta zu verhindern“, sagt Lia Polotzek vom Naturschutzbund BUND. Eine Enthaltung wirkt bei der Abstimmung über Ceta wie eine Gegenstimme.

Bislang haben 9 von 28 Mitgliedsstaaten der EU das Abkommen ratifiziert

Im Bundesrat haben alle Länder zusammen 69 Stimmen. Länder mit grüner und/oder linker Regierungsbeteiligung kommen auf 41 Stimmen. Weil sich die schwarz-grünen Regierungen in Hessen und Baden-Württemberg und das rot-grüne Hamburg noch nicht klar positioniert haben, wollen die AktivistInnen am Samstag vor deren Landesvertretungen in Berlin demonstrieren.

Nach Angaben der EU-Kommission haben bislang neun von 28 EU-Mitgliedern das Abkommen abgesegnet, darunter Spanien, die baltischen Staaten und Portugal. Auch in anderen Ländern ist fraglich, ob es zu einer Ratifizierung kommt. Der italienische Vize-Ministerpräsident Luigi Di Maio, Chef der 5-Sterne-bewegung, hat angekündigt, dass Italien das Abkommen nicht bestätigen wird. Österreich und die Niederlande warten ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs ab, der über eine Klage Belgiens gegen Ceta entscheiden muss. Für Oktober wird eine erste Stellungnahme mit Hinweisen auf den Ausgang erwartet. In Deutschland ist der Ratifizierungsprozess mit Blick auf dieses Urteil sowie eine beim Bundesverfassungsgericht anhängige Klage noch nicht in Gang gekommen.

Das Problem: Es gibt keine Frist, in der die Anerkennung des Vertrags durch die EU-Mitglieder erfolgt sein muss. Deshalb könnte Ceta ohne Ratifizierung in der bisherigen Form weiterhin angewandt werden. Immerhin: Die Klageprivilegien für Unternehmen kämen nicht.

Die EU zieht ein positives Fazit des ersten Jahres. „Die Exporte ziehen insgesamt an und viele Wirtschaftszweige verzeichnen einen beeindruckenden Anstieg ihrer Ausfuhren“, sagt EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Die Ausfuhren aus der EU nach Kanada haben zwischen Oktober 2017 und Juni 2018 um 7,1 Prozent auf 30,16 Milliarden Euro zugenommen. Vor allem Unternehmen, die Maschinen, Arzneimittel, Möbel oder Parfüm und Kosmetik nach Kanada exportieren, konnten ihren Absatz steigern.

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