Europawahl aus Berliner Sicht: Kaum mehr rote Flecken in der Stadt

Die Grünen haben bei der Europawahl mächtig zugelegt. Eine Wahl, die ein Dilemma der Linkspartei markiert. Ein Wochenkommentar.

Berliner Grüne bei der Europawahl

Die Sterne Europas nun auf grünem Grund, auch in Berlin Foto: dpa

Der Mai macht in diesem Jahr nicht nur die Bäume grün, sondern fast die ganze Stadt, zumindest auf den Ergebnisgrafiken zur Europawahl. Bis weit in den östlichen Teil der Stadt ziehen sich die grünen Flecken, verloren haben nicht nur SPD und CDU, sondern auch die Linkspartei: Mit 11,9 Prozent der Stimmen liegt sie in Berlin zwar deutlich über ihrem Bundesdurchschnitt, gegenüber dem Ergebnis der letzten Europawahl 2014 ist das aber ein Verlust von mehr als 4 Prozentpunkten.

Sicher, das bedeutet nicht unbedingt, dass sich die Linke auch für die nächste Abgeordnetenhaus- oder Bundestagswahl in Berlin Sorgen machen muss. Nicht wenige, die bei diesen Wahlen Linke wählen, werden dieses Mal am Sonntag ihre Stimme an andere, kleinere Parteien gegeben haben, allen voran Die Partei, die sich in Berlin über 4,8 Prozent der Stimmen freuen kann. Eine Europawahl-Besonderheit wegen der fehlenden Fünfprozenthürde, die das nächste na­tio­na­le oder kommunale Ergebnis wenig beeinflussen wird.

Damit allein das schlechte Abschneiden zu rechtfertigen, greift aber zu kurz. In Berlin wird deutlich, in welchem Dilemma die Linkspartei insgesamt steckt: Weder ist sie im Osten – auch in den Ostberliner Bezirken – noch die einstige Volkspartei, noch hat sie es wirklich geschafft, sich als AfD-Antipode für die kosmopolitischen Innenstadtmilieus zu präsentieren.

Das schaffen stattdessen die Grünen – sie sind es, die als politischer Gegenpol zur AfD wahrgenommen werden, nicht die Linke. Und sie sind es, die bei Wahlen die Erfolge der Klimabewegung ernten. Dabei hätte die Linke auf diesem Gebiet durchaus etwas anzubieten. Die wirtschaftsfreundliche Politik der Grünen passt bei genauem Hinsehen eigentlich viel weniger zu den Zielen der Klima- und Degrowthbewegung als die der Linken, die sich traut, Wachstumsparadigmen infrage zu stellen.

Die Grünen werden als Gegenpol zur AfD wahrgenommen, nicht die Linke

Nur: Das auch zu vermitteln, gelingt der Linkspartei momentan nicht. Und die Milieus in Neukölln und anderen Westberliner Bezirken, in denen sich Wähler bewusst für die Linke statt die Grünen entscheiden, sind viel zu klein, um den Verlust der Wählerstimmen im Osten zu kompensieren.

Darüber wird sich die Linke auch in Berlin Gedanken machen müssen, so europawahl-spezifisch das Ergebnis vom Sonntag auch sein mag.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.