Europawahlkampf in Großbritannien: Dabei sein ist alles

Beim Wahlkampflaunch der neuen Partei Change UK für die Europawahl ist Programmatik Mangelware. Kandidaten gibt es umso mehr.

Heidi Allen umringt von Kameraleuten

Heidi Allen führt Change UK an. Aber wohin? Foto: reuters

BRISTOL taz | Zuerst waren sie The Independent Group (TIG), jetzt sind sie Change UK. Der Wahlbehörde habe der Name TIG nicht gepasst, sagt Chris Leslie, Europasprecher der neuesten Partei Großbritanniens beim Start ihres Europawahlkampfs in Bristol. Die Partei, im Februar von acht abtrünnigen Labour-Abgeordneten und dreien der Konservativen gegründet, spricht jetzt von 3.700 Bewerbern für ihre Listen bei der EU-Parlamentswahl, an der Großbritannien am 23. Mai teilnehmen wird. Am Dienstag stellte Change UK, das bislang in den Umfragen auf einem der hinteren Plätze dümpelt, erstmals einige der Auserwählten vor.

Bekannte Gesichter wie Roger Casale, Gründer der „New European“-Gruppe und ehemaliger Labour-Abgeordneter, stehen da neben Politneulingen wie Gavin Esler, der ehemalige USA-Korrespondent der BBC. Er sei ein Patriot, sagt der Sohn einer Arbeiterfamilie aus Glasgow. Er lasse sich aufstellen, damit „Möchte-gern-Führer der Arbeiterklasse wie Nigel Farage nicht mehr mit ihrem Schlangengift die Ansichten von Menschen aus der Arbeiterklasse für sich behaupten.“

Chefin von Change UK ist Heidi Allen, einstige konservative Abgeordnete für Süd­cambridgeshire. Die Botschaft sei einfach, sagt sie: Change UK sei „für alle, die genug haben von der kaputten Politik“. Die Konservativen seien so weit nach rechts gerutscht, dass ihre Mitglieder sie nicht wiedererkennen, und Labour sei eine ineffektive Opposition. „Wir sind keine Rebellenallianz, sondern die Remain-Allianz“, betont sie.

Damit ist schon gesagt, worum es Change UK geht: der Verbleib Großbritanniens in der EU. Change UK solle als Partei des „People’s Vote“, dem zweiten Referendum zum Brexit, verstanden werden, stellt die ehemals konservative Abgeordnete Anna Soubry klar. „Wenn Ultrarechtskonservative wie Jacob Rees-Mogg ihre Meinung zum Brexit ändern könnten, müsste das auch für Leute gelten, die nicht Politiker sind“, fordert sie.

Ihr Parteikollege Chuka Ummuna, der ehemalige Labour-Abgeordnete aus London-Streatham, attackiert in seiner Rede Nigel Farage, der mit seiner neuen Brexit Party die Europawahl gewinnen will. Change UK stelle sich den Herausforderungen vor allem mit Fakten, so Umunna.

Das kritisiert ein Zuhörer, Simon Knighton aus Batht. Der Firmengeschäftsführer bemängelte, Trump und Brexit hätten gezeigt, dass man emotionale Politik nicht einfach mit Fakten besiegen kann. Was Change UK außer einer neuen Volksabstimmung will, wird bei diesem Wahlkampflaunch nicht gesagt. Ein Wahlprogramm sei in Vorbereitung, heißt es.

Bristol ist für den Start der Kampagne kein verfehlter Ort. Beim Referendum 2016 stimmten hier über 60 Prozent für die EU. Doch draußen auf der Straße will sich niemand für Change UK aussprechen. Nur in der Warteschlange vor dem Event finden sich Unterstützer. Change UK, sagt einer, versuche eine vernünftige Politik zu betreiben, in einer Zeit, wo es anderswo nur noch vollkommen verrückt gewordene Politik gebe.

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