Ex-Diplomat über Trump-Kim-Treffen: „Für professionelle Beobachter bizarr“

Für den Ex-Diplomaten Volker Stanzel ist die Vereinbarung zwischen den USA und Nordkorea nicht viel wert. Kims Erfolg sei größer als Trumps.

Menschen fotografieren Trump bei seiner Abreise

Menschen fotografieren Trump bei seiner Abreise aus Singapur am Dienstag Foto: dpa

taz: Herr Stanzel, in Singapur gab es jetzt eine Einigung auf die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel gegen In-Aussicht-Stellung von US-Sicherheitsgarantien für Nordkorea. Was halten Sie davon?

Volker Stanzel: Erstens ist es eben nur „in Aussicht gestellt“, und das alles sind nur vage Verpflichtungen. Zweitens fällt es zurück hinter frühere Zusagen von Nordkorea, die es nie umgesetzt hat. Trumps Zusage der Etablierung neuer Beziehungen zu Nordkorea ist das Einzige, was man als konkrete Vereinbarung bezeichnen könnte. Eine Absichtserklärung bedeutet noch nichts Konkretes.

Welche Schritte müssten als Nächstes erfolgen?

Beide haben schon gesagt, dass sich jetzt Fachleute damit auseinandersetzen müssen. Für Trump, der behauptet hat, er müsse sich auf den Gipfel nicht vorbereiten, gilt das nicht, sondern für seine Beamten: Welche Schritte kann Nordkorea unternehmen, um zu entnuklearisieren und damit wieder in den Nichtverbreitungsvertrag hineinzukommen? Wie kann das Ganze überwacht werden? Was bieten im Gegenzug die USA an? Nordkorea wird auf den Abzug der amerikanischen Truppen aus Südkorea und auf die Rücknahme der Sanktionen schauen. Diese haben aber die Vereinten Nationen verhängt, nicht die USA.

Volker Stanzel

69, war politischer Direktor im Auswärtigen Amt und deutscher Botschafter in Peking und Tokio. Zurzeit leitet er ein Projekt der Stiftung Wissenschaft und Politik über moderne Diplomatie.

Normalerweise dauern diplomatische Verhandlungen Jahre. Trump hat den mühsam ausgehandelten Iran-Deal gekippt und dafür in wenigen Stunden eine Vereinbarung mit Nordkorea getroffen. Was sagen Sie als Diplomat dazu?

Dass diese Vereinbarung eben nur eine Absichtserklärung ist. Man kann sie gleichsetzen mit der Zustimmung des Iran im Jahr 2003, zunächst mit den Europäern über ihr Atomprogramm zu verhandeln. Das hat dann über zehn Jahre gedauert.

Das war jetzt also kein Sieg von Trumps Bilateralismus über multilaterale Formate wie die Sechs-Parteien-Gespräche?

Trump und Kim waren jetzt mit diesem Bilateralismus in ihrem Sinn erfolgreich. Trump wollte zeigen, dass er gordische Knoten durchschlagen kann. Der Handshake mit Kim und die internationale Aufmerksamkeit bei seiner Pressekonferenz genügen ihm dafür schon. Wie die Arbeit der nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte aussehen wird, darum kümmert er sich nicht. Für Kim ging es um sehr viel Konkreteres, nämlich das Ende der Sanktionen. Dann ist er dabei, die Beziehungen zu Südkorea zu verbessern, was eines Tages tatsächlich einen Abzug der US-Truppen ermöglicht. Trump hat jetzt eingestanden, dass die Manöver mit Südkorea im Grund eine Provokation und deswegen eigentlich nicht nötig sind.

Hat Kim schon dadurch ­gewonnen, dass er als erster Nordkoreaner überhaupt mit einem US-Präsidenten auf ­Augenhöhe verhandeln konnte?

Ja, beide hatten Erfolg, wenn man das nicht im traditionell-diplomatischen Sinn sieht, aber Kims Erfolg ist eindeutig größer.

Trump hat Kanzlerin Merkel den Handschlag verweigert, jetzt aber den Diktator Kim mehrfach vertraulich getätschelt. Verkehrte Welt?

Nordkorea hat natürlich keinen Handelsbilanzüberschuss mit den USA, und mehr als 2 Prozent des BSP für Verteidigung gibt Kim wohl auch aus. Aber ernsthaft: Wir erleben eine „alternative Welt“ einer Regierung, die „alternative Fakten“ verbreitet und jetzt „alternative Diplomatie“ betreibt. Dies scheint für professionelle Beobachter bizarr, weil die Erfolgsaussichten so gering sind oder das Ganze sogar ein Fehlschlag der amerikanischen Politik sein wird. Aber aus Sicht eines Akteurs wie Trump, immer noch der mächtigste Mann der Welt, scheint das nur folgerichtig. Schließlich kommt er so zum Ziel, dem norwegischen Auftritt.

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