Ex-Kaiser's im Winskiez: Wo sich die Lichter bunt bewegten

Die alte Kaufhalle an der Winsstraße war als späterer „Disco-Kaiser’s“ ein Kieztreffpunkt. Jetzt baut Tengelmann dort teure Wohnungen.

Aus und vorbei: Kaiser's war schon Geschichte, jetzt ist auch der Markt selbst weg Foto: Sebastién Bertrand, CC, taz [M]

Es gab Zeiten, da konnte man in Berlin in jeden Club gehen, ohne sich vorher frisiert zu haben – aber nicht zu diesem Kaiser’s in der Winsstraße. Man traf dort wichtige Kulturschaffende, die beim Einkauf von billigem Bier über Derrida schwadronierten, und alte Bohemiens, die bereits zu DDR-Zeiten schwierige Lyrik geschrieben hatten und nun den Bautz’ner Senf oder die Spreewaldgurken suchten.

Der Disco-Kaiser’s, wie er im Volksmund hieß, war ein Ort, an dem einsame Herzen mit viel Hoffnung im Herzen nach dem Kleenex griffen. Außerdem war er wegen seiner exponierten Lage, wie man immer wieder hörte, der umsatzstärkste Kaiser’s der ganzen Stadt.

Der Abstieg begann, als Kai­ser’s 2017 unter den Hammer kam. Gut: Viele der geliebten Gesichter an den Kassen wurden von Edeka übernommen, aber die bewegten bunten Lichter, die dem Kaiser’s zu seinem Spitznamen verholfen hatten und dem welken Gemüse zumindest optisch etwas Frische einzuhauchen versuchten, verschwan­den. Auch die Klientel wurde zunehmend reicher und damit, man darf leider nicht müde werden, es zu betonen: öder.

Doch auch damit ist nun Schluss. Der Laden hat am heutigen Samstag letztmals auf. Zauberwort „Verdichtung“: Die gute alte Kaufhalle, die hier zu DDR-Zeiten gebaut wurde, muss einem sechsgeschossigen Neubau mit 187 Mietwohnungen weichen. Bauherrin ist wie beim Rewe in der Pappelallee, dem dasselbe Schicksal blüht, die Trei Real Estate, die Immobilien­gesellschaft der Tengelmann-Gruppe, zu der auch die Supermarktkette Kaiser’s gehört hat. In zwei Jahren werden sowohl im Erdgeschoss des Neubaus in der Winsstraße als auch in dem in der Pappelallee die jetzigen Supermärkte wieder einziehen. Ausweichstandorte während der Bauarbeiten gibt es aber keine.

Die Nachbarn im Winskiez dürfen jetzt also zwei Jahre lang, wenn der Chia-Samen mal wieder aus ist, entweder einen Tick weiter fahren oder doch in einem der drei Biosupermärkte einkaufen gehen, die inzwischen das Viertel säumen. Das wird den meisten hier – zumindest finanziell – kaum wehtun. Und noch ein kleiner Trost: Die Mitarbeiter, heißt es, werden auf andere Filialen verteilt. Niemand wird entlassen.

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