Ex-Mitarbeiterin über SPDlerin Petra Hinz: „Kühl und herabwürdigend“

Einen absurden Kontrollwahn habe Petra Hinz gehabt, sagt die Ex-Mitarbeiterin der SPD-Parlamentarierin, Finja Henke. In der Fraktion sei das bekannt gewesen.

Blick von außen auf ein Fenster und ein Plakat der Parteizentrale der Essener SPD

Hier können erstaunliche Politkarrieren entstehen: Parteizentrale der Essener SPD Foto: dpa

taz: Frau Henke, Sie waren studentische Hilfskraft im Büro von Petra Hinz. Haben Sie die Berichte über die SPD-Abgeordnete überrascht?

Finja Henke: Nein.

Warum nicht?

Weil es zu dem Verhalten passt, wie ich sie kennengelernt habe. Thema der Berichte war ja nicht nur ihr gefälschter Lebenslauf, sondern auch ihr Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und da habe ich sie genau so erlebt, wie andere das auch schon beschrieben haben.

Welche sind Ihre Erfahrungen?

Ich hatte im Oktober 2014 bei ihr ein Vorstellungsgespräch, und im November habe ich in ihrem Bundestagsbüro gearbeitet. Also eigentlich wenige Wochen. Das Problem war der Umgangston im Büro, der war unheimlich arrogant und herablassend. Ich bin jeden Abend sehr niedergeschlagen rausgegangen. Es wurde sehr auf Hierarchien geachtet, mein Arbeitspensum war viel zu hoch, um es in meiner Arbeitszeit schaffen zu können. Es gab keinerlei Einarbeitungszeit. Frau Hinz hat Aufträge erteilt, aber nicht gesagt, wie sie es wünscht, stattdessen hat sie erst im Nachhinein kritisiert. Diese Kritik war immer sehr persönlich und in keiner Weise konstruktiv.

Was verdient man als studentische Hilfskraft, und was macht man da?

Das wäre ein monatliches Gehalt von 550 Euro bei 12 Wochenstunden gewesen. Einerseits hatte ich die Aufgabe, Veranstaltungen für Frau Hinz vorzubereiten, sowohl im Bundestag als auch im Wahlkreis. Es ging um Treffen mit Interessenvertreterinnen und -vertretern oder Menschen aus ihrem Wahlkreis. Wem sie die Hand schüttelt, was die Person in den letzten Jahren gemacht hat, was deren Anliegen ist. Andererseits musste ich sehr viel Post für den Wahlkreis erledigen. Frau Hinz hat ja dort kein Wahlkreisbüro, das haben wir dann im Bundestagsbüro erledigt.

Warum haben Sie gekündigt?

Als ich Frau Hinz angesprochen hatte, dass mir das Arbeitsklima nicht gefällt, da wurde es eigentlich nur schlimmer. Am Ende habe ich selbst eine Kündigung vorbereitet, aber am selben Tag bat sie mich zu einem Gespräch. Ich dachte, okay, ich warte das mal ab. Aber sie hat mich da nur als inkompetent dargestellt. Als ich meinte: „Ich fühle mich von Ihnen erniedrigt“, sagte sie: „Erniedrigung ist ein historischer Begriff, den dürfen Sie hier nicht benutzen.“ Als ich dann sagte, dass ich kündigen wolle, zog sie ihre vorbereitete Kündigung hervor. Ich fand das seltsam, da sie keinen konkreten Kündigungsgrund hatte.

Bei meiner Kündigung geriet sie außer sich und sagte: „Was ist das denn jetzt für ein Kindergarten!? Dann verlassen Sie jetzt sofort mein Büro und geben Sie mir Ihren Bundestagsausweis! Der Büroleiter wird Sie zum Ausgang geleiten.“ Diese Reaktion zeigte mir noch einmal ihr despotisches und unsicheres Verhalten.

22, studiert an der FU Berlin Politikwissenschaft. Sie war von Oktober bis Ende November 2014 studen­tische Mitarbeiterin der SPD-Bundestagsabgeordneten Petra Hinz.

Was meinen Sie, ist das Verhalten von Frau Hinz in deren eigener Geschichte begründet?

Ich denke, Menschen, die so reagieren, haben letztlich selbst Angst. Aus diesem Grund hat sie uns als ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Angst versetzt. Andererseits war es sehr schwierig, ihr Verhalten als Mobbing auszumachen. Meistens agierte sie ganz subtil. Sie war sehr kühl und herab­würdigend, sodass ich meine eigene Leistung selbst infrage stellte.

Gab es denn keine Gespräche mit anderen Mitarbeitern?

Ein Kommilitone von mir hat bei einer anderen SPD-Abgeordneten gearbeitet. Der erzählte mir im Nachhinein, es wäre in der Fraktion bekannt, wie Frau Hinz ihre Leute behandelt. Die AG SPD-Mitarbeiter hätte bei internen Bewerbungen darauf aufmerksam gemacht. Aber ich habe das während meiner Arbeit natürlich noch nicht gewusst.

Haben Sie jemanden um Hilfe gebeten?

Nein. Ich habe eine andere studentische Hilfskraft in ihrem Büro kennen gelernt. Aber der kam später als ich. Es war im Büro nicht erwünscht, dass wir uns untereinander unterhalten. Wir mussten uns auch siezen. Das Absurdeste war aber der Kontrollwahn von Frau Hinz. Ich musste sie jederzeit anrufen, egal ob sie in einer Sitzung oder einer Besprechung war, um zu sagen, dass ich ich komme, dass ich gehe, dass ich Pause mache, dass ich auf die Toilette gehe, dass ich zurück bin. Ich musste jedes Telefonat protokollieren, auch private.

Ende des Monatswill die SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Hinzihr Mandat abgeben. „Ich lege nach Rücksprache mit den Ärzten mein Bundestagsmandat bei einem Notar zum 31. August nieder“, sagte sie der Westdeutschen Zeitung (WZ). Ihre Augustbezüge – die Abgeordnetendiät und die Kostenpauschale für ihr Wahlkreisbüro in Höhe von rund 13.600 Euro – werde sie abzüglich der Steuern spenden. Zudem kündigte die 54-Jährige ihren Austritt aus der SPDan.

Bereits in der vergangenen Woche hatte Hinz alle Parteiämter innerhalb der Essener SPD niedergelegt. Die Politikerin hatte Mitte Juli einräumen müssen, Abitur und Jura-Studienabschluss in ihrem Lebenslauf erfunden zu haben. Nach Bekanntwerden der gefälschten Vita hatte sie sich zum Mandatsverzicht bereit erklärt, aber diesen Schritt zunächst nicht vollzogen.

Zu ihrem umstrittenen Umgang mit MitarbeiterInnen sagte Hinz der WZ, sie habe eben ihre Arbeit „sehr ernst genommen“. Dass sie „anstrengend und über­korrekt“ gewesen sei, habe „sicherlich nicht jedem gefallen“. Für ihre MitarbeiterInnen habe sie jedoch „alles getan“. (taz)

In einem Interview hat Frau Hinz jetzt gesagt, sie sei sich ihrer Schuld bewusst, verdiene aber einen letzten Rest Würde. Was sagen Sie dazu?

Öffentlich sollte ein Mensch nie diffamiert werden. Aber für mich sind die Lügen über ihren Lebenslauf und ihr Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zwei verschiedene Pro­ble­me.

In Bezug auf ihre vorgetäuschten Abschlüsse habe ich ein Stück weit Nachsicht. Ich kann mir gut vorstellen, wie so eine Person unter Druck gerät, sie hat ja sehr früh ihre politische Laufbahn eingeschlagen und von daher kaum Zeit für Abi­tur oder Studium gehabt. Es ist traurig, dass Bundestagsabgeordnete anscheinend den Druck verspüren, ein Jurastudium vorweisen zu müssen. Da tut sie mir fast Leid.

Doch in Bezug auf ihren Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollte sie nun von der Öffentlichkeit keine bessere Behandlung einfordern, als sie selbst gegenüber ihnen zu verantworten hat.

Sie haben sich bei der taz gemeldet. Warum?

Weil mir in der ganzen Diskussion der Aspekt des systematischen Mitarbeitermobbings zu kurz kommt. Weder vonseiten der SPD noch von der Fraktion habe ich da etwas gehört. Ich fände es schlimm, wenn solche Strukturen weiterhin bestehen blieben, obwohl man davon weiß und es verhindern könnte.

Die SPD-Fraktion sagt dazu, die Beschäftigungsverhältnis­se zwischen Abgeordneten und Büroangestellten „bestehen un­abhängig von der Institution SPD-Bundestagsfraktion“.

Das habe ich auch gelesen. Sogar Fraktionschef Thomas Oppermann hat erklärt, derlei läge nicht in seinem Zuständigkeitsbereich. Ich denke aber, Mobbing ist nicht nur ein zwischenmenschliches, sondern auch ein politisches Problem.

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