Facebook und Cambridge Analytica: Zuckerberg ins Mark getroffen

Facebook gerät wegen des Missbrauchs von Nutzerdaten durch die Firma Cambridge Analytica im US-Wahlkampf unter starken Druck. Deren Chef wurde suspendiert.

Mark Zuckerberg hält im T-Shirt eine Rede

Montag ging die Facebook-Aktie um sieben Prozent runter – das sind 35 Milliarden Dollar Foto: reuters

WASHINGTON/LONDON afp/dpa/ap/reuters | Der Internetkonzern Facebook steht nach Enthüllungen über einen mutmaßlichen gigantischen Datenmissbrauch unter starkem Druck. Nach ähnlichen Initiativen in den USA und Großbritannien lud am Dienstag auch das EU-Parlament Konzernchef Mark Zuckerberg ein, um sich zu erklären. In den USA und Großbritannien soll es Ermittlungen gegen Facebook geben. Die britische Datenschutzbeauftragte Elizabeth Denham strengte zudem Ermittlungen gegen die Firma Cambridge Analytica an, deren Chef suspendiert wurde.

Das britische Unternehmen Cambridge Analytica soll laut Medienberichten die Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern für den Wahlkampf des heutigen US-Präsidenten Donald Trump eingesetzt haben.

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, das Parlament habe Zuckerberg „eingeladen“. Facebook müsse „vor den Vertretern von 500 Millionen Europäern klarstellen, dass persönliche Daten nicht dazu benutzt werden, um Demokratie zu manipulieren“.

In Großbritannien teilte die Datenschutzbeauftragte Denham mit, einen Durchsuchungsbefehl gegen Cambridge Analytica erwirken zu wollen. Das Unternehmen habe sich auf Anfragen nach Einsicht in seine Daten „unkooperativ“ gezeigt. Außerdem prüfe sie, inwiefern Facebook die gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten habe und ob es „angemessen reagiert“ habe, als die Dinge aus dem Ruder liefen.

US-Ermittlungen gegen Facebook

Laut US-Medienberichten leitete die US-Handelsaufsicht FTC Ermittlungen gegen Facebook ein. In New York und Massachusetts teilten die Staatsanwaltschaften mit, schriftlich Aufklärung von Facebook eingefordert zu haben.

Der republikanische US-Senator John Kennedy und seine Kollegin Amy Klobuchar von den oppositionellen Demokraten verlangten am Montag, dass Zuckerberg ebenso wie die Chefs von Google und Twitter in der Kongresskammer aussagen sollten. Die Internetriesen verfügten über „beispiellose Mengen an persönlichen Daten“, zugleich gebe es einen Mangel an Aufsicht über ihren Umgang damit, erklärten sie.

Facebook-Aktie verliert, Investoren klagen

Die Affäre drückt die Facebook-Aktien nach unten. Die Papiere des sozialen Online-Netzwerks sackten an der New Yorker Börse am Dienstag um 2,6 Prozent ab. Der Hintergrund dafür sind Berichte, wonach die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde FTC Ermittlungen zum Umgang der Firma mit Nutzerdaten einleiten will. Seit dieser Woche sind die Aktien von Facebook um neun Prozent eingebrochen – damit haben sie so schlecht abgeschnitten wie seit zwei Jahren nicht mehr.

Andere Social-Media-Firmen in den USA schlossen den Handelstag angesichts der Sorge vor neuen Regulierungsgesetzen für die Branche ebenfalls schwächer ab. Die Börsen in Asien reagierten verhalten auf den Datenskandal um Facebook.

US-Investoren haben eine erste Klage gegen den Facebook eingereicht. Die Aktionäre machten am Dienstag bei einem Bundesgericht in San Francisco geltend, dass die Konzernführung sie über die Fähigkeiten in die Irre geführt habe, die Daten der Nutzer zu schützen. Der Zeitung Los Angeles Times zufolge wird Facebook zudem vorgeworfen, die eigenen Datenschutzvorschriften verletzt zu haben.

EU-Reaktionen

Der Vorsitzende des britischen Unterhausausschusses für Digitales und Medien, Damian Collins, teilte seinerseits mit, dass er Zuckerberg in einem Schreiben aufgefordert habe, vor dem Gremium zu erscheinen. Er solle dort Stellung zu dem „katastrophalen Vorgang des Versagens“ seiner Firma beziehen.

Der Grünen-Netzexperte Konstantin von Notz forderte die Bundesregierung zum Handeln auf. Er erwarte, „dass sie ihre bisherige Politik gegenüber Facebook, gerade im Bereich des Datenschutzes, endlich überdenkt“, sagte von Notz der Neuen Osnabrücker Zeitung. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg verlangte in der Bild-Zeitung härtere Sanktionen gegen Facebook. Es sei problematisch, dass Facebook sich regelmäßig über geltendes Recht hinwegsetze, sagte der Verbraucherexperte.

Facebook sieht sich als Opfer

Facebook zeigte sich in einer Stellungnahme am Dienstag „schockiert“ über den Missbrauch seiner Daten durch Cambridge Analytica. Das britische Unternehmen habe gegen die Bestimmungen des sozialen Netzwerks verstoßen, hieß es in einer Erklärung. Facebook werde „alle erforderlichen Schritte unternehmen“, um die Informationen der Menschen zu schützen.

Firmenchef Mark Zuckerberg und alle Verantwortlichen seien sich des Ernsts der Lage bewusst. Facebook verlor seit Montag zeitweise bis zu 50 Milliarden Dollar an Unternehmenswert an der Börse.

Auch bei Facebook könnte es laut New York Times personelle Veränderungen geben. Die Zeitung berichtete, dass der in Fachkreisen angesehene Sicherheitschef Alex Stamos Facebook verlassen wolle. Er habe sich dafür eingesetzt, offener über die russische Einmischung in den US-Präsidentenwahlkampf 2016 zu informieren, sei aber von anderen Managern abgebügelt worden. Erst nach Untersuchungen im US-Kongress räumte das Online-Netzwerk schrittweise ein, dass 150 Millionen Nutzer von Facebook und Instagram mit politischer Propaganda aus Russland in Berührung gekommen sein dürften.

CA-Geschäftsführer suspendiert

Cambridge Analyticas Geschäftsführer Alexander Nix wurde derweil mit sofortiger Wirkung während einer „vollumfänglichen, unabhängigen Ermittlung“ von seinen Aufgaben entbunden, wie das Unternehmen mitteilte. Nix hatte in heimlich vom Sender Channel 4 mitgeschnittenen Gesprächen unter anderem damit geprahlt, Politiker übers Ohr zu hauen.

Cambridge Analytica bestritt energisch, bei Facebook gesammelte Daten für die Trump-Kampagne verwendet zu haben. Die „New York Times“ und der „Observer“ hatten berichtet, die Firma sei mittels einer App in den Besitz der Facebook-Nutzerdaten gelangt.

Mithilfe einer aus diesen Daten entwickelten Software wurden politische Anzeigen geschaltet, die auf einzelne Nutzer zugeschnitten wurden. Die individuelle Ansprache von Wählern über die sozialen Netzwerke war als ein Schlüssel für Trumps Wahlsieg 2016 angesehen worden.

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