Fehlalarm auf Hawaii: 38 Minuten Panik im Paradies

Der Katastrophenschutz hat versehentlich vor einem Raketenangriff gewarnt. Nun stellt sich die Frage: Warum kam die Entwarnung nicht früher?

Palmen und Schild mit englischsprachiger Aufschrift „Es gibt keine Bedrohung“

Samstag auf Hawaii: alles nur ein Irrtum Foto: reuters

NEW YORK taz | Die Panik im Paradies brach am Samstagmorgen um 8.07 Uhr aus. Surfer am Waikiki-Strand von Hawaii trugen gerade ihre Bretter zum Wasser, der Bürgermeister von Honolulu, Kirk Caldwell, stand unter der Dusche und 5.000 Hawaiianer saßen in Bussen auf dem Weg zur Arbeit.

Da kam über sämtliche Mobiltelefone des Insel-Bundesstaates eine Warnmeldung, „Amber-Alert“ genannt, mit dem bis in die Knochen dringenden Ton, der sonst die Gefahr von Tsunamis ankündigt: „Bedrohung durch ballistische Rakete Richtung Hawaii“, lautete die komplett in Großbuchstaben verfasste Botschaft, „Sofort Schutzraum aufsuchen. Dies ist keine Übung“. Unmittelbar danach lief dieselbe Warnung auch über Twitter.

In den folgenden 38 Minuten bis zur Entwarnung befürchteten die 1,4 Millionen Einwohner der vier großen und fünf kleineren Inseln im Pazifik, sowie die knappe Viertelmillion von Touristen, die sich dort im Winter aufhalten, dass ihre letzte Stunde geschlagen hätte. Die Bestinformierten unter ihnen wussten, dass eine Rakete von Nordkorea rund 12 bis 15 Minuten bis zum Einschlag brauchen würde.

Beten in der Badewanne

Weinende Menschen rannten in Kellergewölbe, die unter Unternehmen, Krankenhäusern und anderen Gebäuden geöffnet wurden. Andere riefen ihre Lieben auf dem Festland an, um sich von ihnen zu verabschieden. Der hawaiianische Abgeordnete Matt Lopresti setzte sich mit seinen Kindern in die Badewanne und betete. In der Wanne erklärte er seinen Kindern auch, wo sie die Notfallvorräte von Nahrungsmitteln finden könnten, die er im Haus angelegt hatte.

Busfahrer fuhren ihre Wagen nah an die angeblich sicheren Betongebäude heran, damit die Passagiere in deren Inneres fliehen könnten. Und ein Mann ließ sich dabei filmen, wie er einen Gullideckel auf der Straße hochhob, und ein kleines Mädchen anwies, nach unten „in Sicherheit“ zu klettern. Auf vielen Straßen brach der Verkehr sofort zusammen. Wie durch ein Wunder scheint es dennoch weder zu Verkehrsunfällen noch zu einer Auffälligkeit von Herzattacken gekommen zu sein.

Hawaii liegt auf zwei Dritteln der Strecke zwischen der koreanischen Halbinsel und dem nordamerikanischen Festland. Seit Donald Trump und Kim Jong-un sich gegenseitig atomare Drohungen zurufen, ist auf den Inseln die Angst vor einer Atombombe so groß wie zuletzt im Kalten Krieg. Erst vor wenigen Tagen hatte der US-Präsident getweetet, dass er „den größeren“ nuklearen Knopf habe.

Furcht vor nordkoreanischen Raketen

Behörden auf Hawaii haben Szenarien für einen Angriff durchgespielt, Schulen die atomare Gefahr im Unterricht besprochen. In der Bevölkerung hat sich das Gefühl breitgemacht, auf einem potenziellen Atomkriegsschauplatz zu leben. Als am Samstagmorgen die „Amber Alert“ kam, war das Adjektiv „atomar“ gar nicht nötig. Die Empfänger verstanden auch so, dass die Rakete vermutlich atomar beladen war.

So wie es der Gouverneur von Hawaii, der Demokrat David Ige, Stunden später darstellte, stand auch bei der Raketenwarnung vom Samstagmorgen ein Knopf im Mittelpunkt: Beim Schichtwechsel in der Katastrophenschutzbehörde des Bundesstaates, EMA, soll jemand auf den falschen Schalter gedrückt und den Alarm ausgelöst haben.

„Dies hätte“, sagte der Gouverneur am späteren Samstag in einem Fernsehinterview, „niemals passieren dürfen“. Vern Miyagi, der Chef der Katastrophenschutzbehörde, übernahm die „volle Verantwortung“ für den Irrtum, der jetzt untersucht wird.

Trump lässt sich nichts anmerken

Als die „Amber Alert“ in Hawaii ankam, spielte Trump am anderen Ende der USA, in Florida, Golf. Er soll umgehend über das Geschehen informiert worden sein. Aber im Laufe des Samstags ließ er sich nichts davon anmerken. Er tweetete erneut über Hillary Clintons' Emails und über den Autor des Weiße-Haus-kritischen Buches, das ihn seit einer Woche zu Wutausbrüchen treibt. Die Raketenwarnung auf Hawaii erwähnte er nicht.

Das Pentagon und das US-Kommando im Pazifik bestritten schon wenige Minute nach der Warnung die Existenz der Rakete. Auch der hawaiianische Katastrophenschutz wusste bereits um 8.10 Uhr – zwei Minuten nach der Warnung – dass es eine Fehlmeldung war. Warum es dennoch geschlagene 38 Minuten gedauert hat, bis die Entwarnung auf die Mobiltelefone der Hawaianer ging, ist eine von vielen Fragen, die jetzt geklärt werden muss.

Die hawaianische Abgeordnete Tulsi Gabbard, eine Demokratin und Verbündete des ehemaligen demokratischen Präsidentschaftsbewerbers Bernie Sanders, nutzte den Fehlalarm für eine Kritik der US-amerikanischen Nord-Korea-Politik: „Wir brauchen Frieden – keine politischen Zankereien. Wir müssen mit Nordkorea reden und einen friedlichen Weg aus dieser atomaren Bedrohung finden“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.