Festival gegen rechte Gewalt: Neukölln wieder offen

Am Freitag beginnt das ONK, das Festival Offenes Neukölln gegen rechte Gewalt und Hetze, mit einem umfangreichen Programm bis Sonntag.

Einweihung des Denkmals für Burak Bektaş in Neukölln Foto: dpa

Ein Paukenschlag war das: Im März wurde bekannt, dass die Bundesministerien für Inneres und Justiz die Auszahlung eines Preisgelds des Bundesprogramms für Demokratie und Toleranz an das Bündnis Neukölln verhindert hatten. Die 3.000 Euro sollte das Bündnis für die Organisation des Festivals Offenes Neukölln (ONK) erhalten, das im vergangenen Jahr ein Zeichen gegen rechte Gewalt und Hetze im Bezirk setzte.

Grund für die Aberkennung war die Beteiligung der Interventionistischen Linken (IL), einer Organisation, die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht findet.

Faktische Misstrauenserklärung

Der Mobilisierungskraft des Festivals schadete diese faktische Misstrauenserklärung der Bundesregierung offensichtlich nicht. Am Freitag startet das zweite ONK mit einem umfangreichen Programm an verschiedenen Orten im Bezirk.

So beteiligen sich laut Bundnissprecherin Nathalie Rücker rund 150 Organisationen, Galerien, Läden, Gemeinden und Parteien am ONK, 2017 waren es noch gut 100 PartnerInnen. „Wir wollen gemeinsam zeigen, wie kämpferisch, solidarisch, vielfältig und vor allem lebenswert Neukölln ist“, sagt Rücker gegenüber der taz und ergänzt: „Wir wollen uns nicht von den Rechten die Themen diktieren lassen, sondern selbst für eine positive Entwicklung aktiv sein“.

Entstanden ist die Idee zu dem Festival inmitten eines Anstiegs rechtsradikaler Angriffe und Übergriffe im Jahr 2016. Das Neuköllner Register rechtsex­tremer und diskriminierender Vorfälle zählt seitdem deutlich mehr Propaganda- und Gewaltdelikte mit mindestens mutmaßlich rechtem Hintergrund.

Säureangriff auf Bektaş-Denkmal

Allein in diesem Jahr erreichten mehrere Fälle auch eine größere Öffentlichkeit, etwa der Säureangriff auf das gerade erst im April eingeweihte Denkmal für Burak Bektaş. Bektaş war 2012 vor dem Krankenhaus Neukölln ermordet worden.

Ebenfalls Schlagzeilen machten 2018 die Anschläge auf die Autos des Linken-Politikers Ferat Kocak und des Buchhändlers Heinz Ostermann. Ostermanns Geschäft Leporello war bereits mehrfach Ziel von ­Attacken und wird am Samstag der Zielpunkt einer Fahrradtour zu den Stätten rechter Gewalt sein (Start, 2. 6., 14 Uhr, Parkplatz der Magdalenenkirche, Karl-Marx-Str. 197).

Die Tour wird organisiert von der evangelischen Kirchengemeinde in Gropiusstadt. Pfarrer Andreas Schiel: „Neukölln ist ein großer und vielfältiger Bezirk. Vielen Menschen, die im Norden politisch engagiert sind, sind die Strukturen und rechtsextremen Vorfälle im Süden bekannt, aber der räumliche Bezug fehlt.“ Er möchte genau diesen Bezug herstellen und betont deshalb, wie wichtig das Engagement der Menschen vor Ort ist: „Deshalb wollen wir am Samstag vor allem auch mit ­denen, die an den Stätten dieser Gewalt bürgerschaftlich ­aktiv sind, ins Gespräch kommen.“

Verdrängung von Projekten

Offiziell eröffnet wird das ONK am Freitag um 17 Uhr auf dem Alfred-Scholz-Platz. Dort wird das gesamte Wochenende über auch der zentrale Infostand des Festivals zu finden sein. Die OrganisatorInnen des Neuköllner Registers werden sich dort unter anderem mit einem Vertreter der Amadeu-Antonio-Stiftung und dem Bezirksbürgermeister Martin Hikel austauschen.

Ein Problem, das zwar nicht im Vordergrund des ONK steht, aber an vielen Stellen mindestens unterschwellig Thema sein wird, sind die fortgesetzten Verdrängungsprozesse im Bezirk. Das Gespräch darüber kann zum Beispiel im Mädchencafé Schilleria geführt werden. Es öffnet bereits am Freitagnachmittag seine Türen mit Gesang, Tanz, Theater, Gebäck und Kuchen (Weisestraße 51).

Die Existenz des preisgekrönten Jugendprojekts war erst Ende vergangenen Jahres massiv bedroht, da die Gewerbemiete für die Räume auf das Dreifache erhöht werden sollte. Die Gefahr einer Kündigung konnte gerade noch abgewehrt werden. Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) sicherte zu, die Einigung mit den Vermietern für fünf Jahre aus den Jugendhilfemitteln des Bezirkes tragen zu können.

Mit Musik

Das Programm des ONK beschränkt sich derweil nicht nur auf die engen Straßen Neuköllns. In den weiten Himmel über dem Tempelhofer Feld wird am Samstagnachmittag (16 Uhr) aus dem Gemeinschaftsgarten Allmende-Kontor Klezmer der Gruppe Querbeet klingen. Das Motto des Konzerts ist ein Echo für das gesamte Programm des Festivals: „Neukölln ist vielfältig, lebenswert und kämpferisch“.

Auch Parteien beteiligen sich am Festival. So eröffnet am Freitag im Bürgerbüro der grünen Abgeordneten Susanna Kahlefeld in der Friedelstraße 58 die Ausstellung #Bleibistan, die das absurde Entscheidungsregime des Bamf thematisiert. Die Linken in der Wipperstraße 6 präsentieren Marx-Bilder und -Plakate, vor allem aber werden diverse Diskussionsveranstaltungen zu Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus angeboten. Eine davon geht am Sonntag ab 13 Uhr der Frage nach: „Wie sozial ist die AfD wirklich?“

Das gesamte Programm unter offenes-neukoelln.de/programm.

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