Filmfestspiele in Cannes: Luftholen vor dem Dauereinsatz

Kurz vor dem Festivalstart wird der Frauenanteil im Team der Veranstaltung zu einer Nachricht. Langsam zeigt die Genderdebatte Wirkung.

Tilda Swinton trägt einen weißen Anzug. Hinter ihr zahlreiche Fotografen

Schauspielerin Tilda Swinton vor der Premiere des Eröffnungsfilms „The Dead Don't Die“ von Jim Jarmusch Foto: reuters

Die Ruhe ist trügerisch. Auf den Straßen bewegen sich am Dienstagmorgen nur wenige Menschen, erst recht sieht man kaum Leute mit umgehängten Festivalpässen, das Erkennungszeichen, mit dem man den Zweck des eigenen Aufenthalts anzeigt. Auch im Festivalpalast, der gerade seine Türen geöffnet hat, noch wenig Gedränge.

Lediglich kurze Schlangen an den Sicherheitskontrollen, an die man sich allmählich zu gewöhnen beginnt, und im Wi-Fi-Café, in dem sich Leute sonst bis auf den letzten Platz drängen, gibt es reichlich Auswahl. Sogar einer der beiden neuen Hängesessel ist noch frei. Erst nach und nach füllt sich der Raum. Auf den Bildschirmen, an denen man die Pressekonferenzen mitverfolgen kann, laufen Bilder vom Wettbewerb 2018. So als würden die Geräte auch kurz Luft holen wollen, bevor sie auf Synchrondauereinsatz umschalten.

Das Filmfestival von Cannes hat sich in diesem Jahr entschieden, die Pressevorführung des Eröffnungsfilms, wie schon vergangenes Jahr, nicht mehr mittags ein paar Stunden vor der eigentlichen Premiere anzubieten, sondern parallel zur abendlichen Eröffnungsgala. Also warten und im Sessel schaukeln. Und in Ruhe auf die offiziellen Zahlen schauen, die das Festival veröffentlicht hat. Vieles davon zur Gendergerechtigkeit.

Gender, rechentechnisch

So arbeiten laut Pressemitteilung im Pariser Festivalteam 61 Prozent Frauen. Nimmt man alle in Cannes am Festival Beteiligten zusammen, ergibt sich ein Anteil von 48 Prozent Frauen. Im Auswahlkomitee des Festivals gibt es sogar paritätisch vier Frauen und vier Männer. Ebenso herrscht in den Jurys für den Wettbewerb, die Reihe „Un certain regard“ und die Caméra d’or ein ausgeglichenes Verhältnis von Männern und Frauen. Mit dem mexikanischen Filmregisseur Alejandro González Iñárritu ist dieses Jahr ein Mann Jurypräsident für den Wettbewerb.

Interessant wird es bei den eingereichten Filmen. So waren 26 Prozent der Arbeiten, die dem Festival fürs offizielle Programm geschickt wurden, von Frauen. Was unter Repräsentationsgesichtspunkten dem Verhältnis von Frauen und Männern im Wettbewerb entspricht. Da stellen Männer die Dreiviertelmehrheit. So kann man es selbstverständlich auch halten mit der anteiligen Verteilung.

Zur anstehenden Ehrenpalme für Alain Delon wäre zu ergänzen, dass Thierry Frémaux, der künstlerische Festivalleiter, auf der Pressekonferenz am Montag die Entscheidung für die Auszeichnung abermals verteidigte. Die Ankündigung, den wegen sexistischer, homophober und rechtsnationaler Äußerungen umstrittenen Schauspieler zu ehren, hatte für Kritik gesorgt.

„Delon ist nicht perfekt, ich bin nicht perfekt“

Frémaux distanzierte sich zwar persönlich von Delons Ansichten, gab aber zugleich zu Protokoll, man verleihe dem Darsteller ja nicht den Nobelpreis: „Delon ist nicht perfekt, ich bin nicht perfekt.“

Bleibt das komische Gefühl, dass eine Ikone, deren Verdiente vor der Kamera unbestritten sind, zum falschen Zeitpunkt ausgezeichnet wird. Im gegenwärtigen politischen Klima, kurz vor den Europawahlen, ließen sich viele Gründe anführen, warum das nicht „passt“.

Auf den Bildschirmen im Café laufen jetzt Szenen aus „All Is Lost“ mit Robert Redford. Er spielt darin als einziger Darsteller einen Segler, der in Seenot gerät. 2013 lief der Film hier außer Konkurrenz. Während sich über ihm etwas zusammenbraut, versucht der namenlose Segler sich irgendwie zu retten.

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