Finanzplanung in Berlin: Ein bisschen Spaß muss sein

Die Fraktionschefs von SPD, Linken und Grünen loben sich für den Haushaltsplan 2018/2019, den das Abgeordnetenhaus Mitte Dezember beschließen soll.

Mehr Geld in der Kasse weckt bei der Haushaltsplanung auch mehr Begehrlichkeiten. Foto: dpa

„Wir fördern die Überwachung von Sicherheit im öffentlichen Raum“, sagt Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek. Und nach einem kurzen Überraschungsmoment bei den zuhörenden Journalisten fügt sie, die sonst nicht als Erste nach mehr Videokameras ruft, lächelnd hinzu: „Indem wir 30 neue Blitzer aufstellen.“ Spaß muss also noch sein, auch nach einem Jahr Rot-Rot-Grün und monatelangen Haushaltsberatungen. In 14 Tagen soll das Abgeordnetenhaus den ersten Etat beschließen, den die Koalition aus SPD, Linkspartei und Grünen komplett selbst gestaltet hat. Es ist die erste richtige Arbeitsprobe, und Kapek und ihre Chefkollegen mühen sich an diesem Mittwochmorgen, den Medien eine Erfolgsgeschichte zu erzählen.

28 Milliarden Euro umfasst der Haushaltsplan für das kommende Jahr, rund 29 Milliarden für das folgende. Seinen Entwurf hatte die Landesregierung um Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) bereits im Frühling zusammengestellt und im Juni beschlossen, das Abgeordnetenhaus diskutierte seit September darüber. Die damals noch neue Koalition hatte zwar schon den unter der rot-schwarzen Vorgängerregierung entstandenen Etat für das laufende Jahr verändert und einen sogenannten Nachtragshaushalt aufgestellt. Dabei konnte sie aber nur punktuell verändern, was noch die CDU mitformuliert hatte.

Zu fünft sitzen die Fraktionschefs dank Doppelspitzen bei Linken und Grünen an diesem Morgen in Raum 320 des Abgeordnetenhauses, jeder darf etwas sagen und beispielsweise von Clustern reden. Schwerpunkte der Finanzplanung sind damit offenbar gemeint, aber irgendjemand muss den fünf wohl gesagt haben, dass sich Cluster toller anhört. Vielleicht verliert man sich nach langen Finanzverhandlungen in solchen Worten und merkt auch gar nicht mehr, wie komisch der gleichfalls vorkommende Begriff „Bestandslehrkräfte“ wirkt, der die schon in den Schulen arbeitenden von neuen, künftigen Lehrern abgrenzen soll.

Schulen, Beamtenbezahlung samt Personal insgesamt, Mobilität, Ökologie sowie Digitalisierung und Demokratie sind eben jene Schwerpunkte oder „Cluster“, für die es mehr Geld als bislang geben soll (siehe Kasten).Sie sind zufrieden mit sich, die Fraktionschefs, auch wenn sie nicht alle so witzeln wie Kapek. Die Grünen berichten davon, dass es schon fast beängstigend war, wie groß der Zuspruch für die am Sonntag ausverhandelte Endfassung des Haushaltsplans bei der Fraktionssitzung am Dienstag gewesen sei. Linksfraktionschefin Carola Bluhm gibt sich als Veteranin vieler Haushaltsberatungen und schwärmt: „So eine Einigung in der Sache habe ich noch nie erlebt.“

Es sind große, Hunderte Millionen teure Dinge wie mehr Geld für Berlins 65.000 Beamte, aber auch kleine, die den ersten R2G-Etat prägen: Das Sozialticket für Bus und Bahn können künftig auch die nutzen, die Wohngeld oder eine DDR-Opferrente bekommen. Schüler mit Berlin-Pass sollen für ihre Fahrkarte nicht mehr zahlen müssen. Für den Kampf gegen Obdachlosigkeit soll es rund 16 statt 10 Millionen Euro geben, etwa für 500 Übernachtungsplätze mehr.

Außerdem sollen alle Lehrer-Quereinsteiger vor ihrem Schulstart einen vierwöchigen Crashkurs erhalten. Für die Tilgung der rund 59 Milliarden hohen Schulden des Landes sind hingegen vorerst nur 80 Millionen jährlich eingeplant. (sta)

Dabei sei es ja durchaus nicht so, dass Haushaltsplanung bei vollen Kassen einfach sei, versucht ihr Co-Chef Udo Wolf den Eindruck einer reinen Spaßveranstaltung zu mindern. Und erinnert an jene Zeiten, in denen Bluhm und er zwar schon mal mitregierten, aber wegen des Sparkurses nicht viel gestalten konnten: „Da hat sich der Haushalt nahezu von allein aufgestellt.“ Der jetzige Überfluss hingegen weckte Ansprüche, die auszudiskutieren waren.

Es ist ein Satz von Wolf, der in der allgemeinen Zufriedenheit aufhorchen lässt. „Wenn wir so zusammenarbeiten, wie wir es jetzt getan haben“, sagt er, „dann kann das was richtig Gutes werden.“ Es sind Worte, die man vor einem Jahr nach den Koalitionsverhandlungen erwartet hätte, nicht jetzt nach rund zwölf Monaten Rot-Rot-Grün. Da ist also eine Nachfrage angesagt. Und auf die sagt Wolf, es sei ja kein Geheimnis, „dass wir manche knirschende Situationen hatten mit dem Gefühl, dass da parteipolitische Interessen im Vordergrund standen“. Genau das aber soll es während der nun beendeten Haushaltsberatungen nicht mehr gegeben haben.

An diesem Morgen auch dabei ist Raed Saleh, der SPD-Fraktionschef, zuletzt in den eigenen Reihen stark unter Druck. „Wir haben Ergebnisse vorzuweisen, die sich sehen lassen können“, sagt er – im Raum 320 zu den Journalisten, aber mutmaßlich auch in die Richtung der eigenen Genossen, die ihm zu wenig Führung vorhalten.

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