Flüchtlinge in Skandinavien: Fluchtweg Ostsee

Beim Versuch, von Dänemark nach Schweden zu gelangen, kentert ein Floß mit vier Asylsuchenden. Derartige Fälle könnten sich häufen.

Die Öresundbrücke. Sie verbindet Dänemark mit Schweden.

Die Öresundbrücke. Sie verbindet Dänemark mit Schweden Foto: dpa

STOCKHOLM taz | „Sie sprachen nur sehr schlechtes Englisch, aber es wurde klar, dass sie dachten, sie seien in Schweden“, erzählt der auf der Insel Saltholm wohnende Dirch Jansen Schmidt. Und: „Sie baten die Polizei anzurufen, damit sie Asyl beantragen könnten.“ Doch die Flüchtlinge waren nicht in Schweden gelandet, sondern auf dieser im Öresund liegenden dänischen Insel.

Wie sich später herausstellte, waren es vier Asylsuchende – drei Männer und eine Frau -, die am Montagnachmittag offenbar die Absicht hatten, mit einem Gefährt, das die Küstenwache als selbstgebautes Floss bezeichnete, den Öresund zwischen Kopenhagen und Malmö zu überqueren.

Sie hatten vor einiger Zeit Asyl in Dänemark beantragt und waren in dem rund 30 Kilometer von Kopenhagen entfernt liegenden „Sandholm-Zentrum“ untergebracht, der dänischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge. Bei Saltholm waren sie gekentert und an Land geschwommen. Zwei versuchten trotz des eiskalten Wassers zur nächstliegenden Insel Pepparholm zu schwimmen und mussten von der Küstenwache gerettet und ins Krankenhaus gebracht werden. Alle sind nun wieder in Dänemark.

Es kommt nicht unerwartet, dass Flüchtlinge versuchen, die für sie jedenfalls ohne Ausweispapiere geschlossene Grenze nach Schweden auf dem Seeweg zu überwinden, um so ins Land zu kommen und dort einen Asylantrag zu stellen. „Wir haben mit entsprechenden Versuchen gerechnet“, sagt Mattias Lindholm, Pressesprecher der schwedischen Küstenwache.

Gesteigerte Bereitschaft

Seit Einführung der Grenzkontrollen Anfang des Jahres sei man in gesteigerter Bereitschaft und ständig mit mindestens einem Boot im Öresund unterwegs – einer zwischen 3,5 und 30 Kilometer breiten Meerenge zwischen Dänemark und Schweden. Aber bis auf einen Vorfall im Januar, als zwei Asylsuchende den Sund an der schmalsten Stelle zwischen dem dänischen Helsingör und dem schwedischen Helsingborg in einem Gummiboot überquerten und festgenommen wurden, seien bislang weitere Versuche nicht bekannt geworden.

Von einem regelrechten Fluchtweg könne zwar keine Rede sein, meint Lindholm, aber angesichts der wärmeren Jahreszeit und besseren Wetters sei man auf die Zunahme eines solchen Verkehrs eingestellt.

Schwedens Innenminister Anders Ygeman versuchte als Reaktion auf den jetzigen Vorfall das Risiko herunterzuspielen, dass mehr Flüchtlingsboote über den Öresund oder die Ostsee kommen könnten. Das werde kein größeres Problem werden.

Doch das sieht man bei der Polizei der südschwedischen Provinz Skåne anders. Man habe Hinweise, dass eine entsprechende „Schleusertätigkeit“ vorbereitet werde, sagt Polizeisprecherin Ewa-Gun Westford. Von Personen die sowohl kommerzielle, als auch idelle Motive hätten. Allerdings müssten alle bereits in Dänemark oder Deutschland registrierten Asylsuchenden wissen, dass sie umgehend dorthin zurückgebracht würden.

Festnahmen im Öresund-Tunnel

Bei dem Versuch von Dänemark in das offenbar als attraktiver eingeschätzte Asylland Schweden zu gelangen, schrecken Flüchtlinge mittlerweile auch vor anderen riskanten Wegen nicht zurück. Zwischen Januar und April seien rund 50 Personen im Tunnel der Öresundquerung festgenommen worden, teilte die dänische Polizei mit.

Dieser Weg ist aufgrund der dortigen Kameraüberwachung wenig aussichtsreich und wegen des Bahn- und Autoverkehrs extrem gefährlich. Wiederholt entdeckten Angestellte von Fähren in den vergangenen Wochen auch Menschen, die unter LKW's versteckt versuchten, ins Land zu kommen. In den Fährhäfen hat die Polizei ebenso wie in den dänischen Yachthäfen die Kontrollen verschärft.

Vor solch lebensgefährlichen Fluchtwegen hatten Flüchtlingshilfsorganisationen schon bei der Einführung der Grenzkontrollen gewarnt. Nun fühlen sie sich in ihrer Kritik bestätigt. „Die jetzigen vier waren ganz sicher nicht die letzten“, sagt Martin Lemberg-Pedersen, Migrationsexperte an der Universität Kopenhagen. Lange Asylbehandlungszeiten und Erschwernisse bei der Familienzusammenführung „bereiten einen fruchtbaren Boden für Schmuggler und solche Routen“.

Selbst wenn er nicht mit Szenen wie in Calais am Eingang zum Kanaltunnel rechne, sieht er Gemeinsamkeiten zwischen der Kanal- und der Öresundquerung: „Beides sind Tunnel zwischen zwei Ländern, die für legale Migration geschlossen worden sind, weshalb die Menschen veranlasst werden, gefährlichere Wege zu versuchen.“

Auch wenn man in Stockholm vor dieser Entwicklung offenbar noch die Augen verschließen wolle, kommentiert die schwedische Tageszeitung Skanska Dagbladet am Mittwoch: Angesichts der geschlossenen Grenzen und der repressiven Flüchtlingspolitik sei es „nur eine Frage der Zeit, bis wir hier die ersten Todesopfer zu beklagen haben“.

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