Flüchtlinge: Abschiebeknast teurer als Adlon

Rechnungshof rügt Senatsverwaltung wegen hoher Kosten. Rot-Schwarz will Grünau schließen und erwägt Neubau in Brandenburg. Streit über Zwischenlösung

Von den jetzt vom Rechnungshof kritisierten Unterbringungskosten her braucht der Abschiebeknast in Grünau sich nicht hinter dem noblen Hotel Adlon zu verstecken. Bild: reuters

Der Landesrechnungshof hält den Abschiebeknast in Grünau für viel zu teuer. Die Kosten von zuletzt 11 Millionen Euro im Jahr seien „unangemessen hoch“, heißt es in einer internen Prüfmitteilung für die Verwaltung von Innensenator Frank Henkel (CDU), die der taz vorliegt. In dem 16-seitigen Schreiben, das die Piraten-Fraktion im Abgeordnetenhaus durch eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhalten hatte, rügt die Behörde die Innenverwaltung, weil diese „seit Jahren nur unzureichend auf eine (…) angemessene Reduzierung der Ausgaben hingewirkt hat“. In der rot-schwarzen Koalition ist es offenbar Konsens, Grünau aufzugeben. Im Gespräch ist, mit einer neuen Einrichtung in Brandenburg in Nähe des BER mehrere Bundesländer zu versorgen. Strittig ist, was bis zum Umzug passiert.

Der offiziell „Polizeigewahrsam“ genannte Grünauer Knast war 1995 aus dem ehemaligen DDR-Frauengefängnis im heutigen Bezirk Treptow-Köpenick mit 371 Haftplätzen entstanden. Diese Zahl wurde mehrmals reduziert auf jetzt noch 160 Plätze. Doch auch die stehen im Missverhältnis zur Zahl der tatsächlich Inhaftierten: Verzeichnet der Prüfbericht für 2005 im Jahresdurchschnitt noch 145 Insassen, so waren es 2012 lediglich 17. Ein Hauptgrund für den Rückgang soll die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in die EU sein.

Der Rückgang führte dazu, dass 2012 auf einen Häftling zehn Beschäftigte kamen, fünfmal so viele wie 2005. Deshalb fielen für den Berliner Landeshaushalt 2012 umgerechnet auf jeden Insassen pro Tag Kosten von 1.821 Euro an. Dem Prüfbericht zufolge ist das fast achtmal so viel wie für einen Abschiebekandidaten in Brandenburg mit 238 Euro. Noch deutlicher ist der Vergleich zum normalen Berliner Justizvollzug, wo pro Tag 104 Euro anfallen.

In den Regierungsfraktionen ist man sich der Misere durchaus bewusst. Laut Frank Zimmermann, dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, will man weg vom teuren Grünau und in einen neuen Bau in Brandenburg, möglichst nahe beim Flughafen BER. Die Einrichtung soll nicht nur Abschiebehäftlinge aus Berlin und Brandenburg, sondern auch aus weiteren Bundesländern aufnehmen. „Das ist unser gemeinsames Ziel“, sagte Zimmermann der taz. Sein CDU-Kollege Robbin Juhnke mochte noch nicht von einem Konsens sprechen, hielt aber eine gemeinsame Einrichtung mittelfristig für wünschenswert.

Aus Senatskreisen wurden Pläne für einen gemeinsamen neuen Standort und Gespräche mit anderen Bundesländern nicht dementiert. Der Sprecher der Innenverwaltung, Stefan Sukale, bestätigte allerdings lediglich, dass eine Entscheidung „sehr bald zu erwarten ist“.

Als Übergangslösung neigt die CDU dazu, den brandenburgischen Abschiebeknast im rund 120 Kilometer entfernten Eisenhüttenstadt zu nutzen. Diese Möglichkeit hat die Brandenburger Landesregierung wiederholt angeboten. Doch dafür gibt es laut Zimmermann keine Mehrheit in der SPD-Fraktion: Man habe Bedenken wegen der dortigen Standards und der großen Entfernung von Berlin.

Ohne ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs wäre die Auslastung in Grünau sogar noch geringer. Er hatte verfügt, dass Abschiebehäftlinge nicht in regulären Justizvollzugsanstalten inhaftiert werden dürfen. Seitdem schicken verschiedene Bundesländer ihre Abschiebekandidaten nach Berlin. SPD-Mann Zimmermann nannte die Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Laut Canan Bayram, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, sind derzeit kaum Berliner Abschiebehäftlinge in Grünau inhaftiert.

Häftlinge aus mehreren Bundesländern künftig zentral unterzubringen, läuft der Position von Flüchtlingsinitiativen und Anwälten entgegen. Sie hatten bereits die Pläne für eine Verlegung von Insassen nach Eisenhüttenstadt kritisiert: Die Betroffenen würden weitgehend isoliert, Besuche unnötig erschwert.

Diese Haltung teilen die Piraten. „Wir fordern die generelle Abschaffung der Abschiebehaft und die Schließung der Abschiebeknäste bundesweit“, sagt der Abgeordnete Fabio Reinhardt. Das sieht auch die Grünen-Fraktion so. Sie fordert, den Grünauer Knast abzureißen und stattdessen dort Wohnungen zu bauen.

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