Flüchtlingspolititk in Australien: Ärzte statt Bürokraten am Krankenbett

Australien lässt künftig kranke Flüchtlinge, die auf Inseln interniert sind, zur Behandlung auf den Kontinent. Und ein umstrittenes Lager macht wieder auf.

Drei Männer von hinten, die auf einem Weg laufen. Man sieht ihre Schultern und Köpfe nciht. Einer geht auf Krücken

Geflüchtete in einem Internierungslager auf der Pazifik-Insel Nauru im September 2018 Foto: picture alliance

CANBERRA taz | Hunderte von kranken Flüchtlingen, die in australischen Internierungslagern im Pazifik ausharren, können endlich hoffen. Die Oberkammer des australischen Parlaments hat am Mittwoch ein zuvor vom Unterhaus verabschiedetes Gesetz bestätigt, wonach es den Asylsuchenden leichter gemacht werden soll, auf dem Kontinent medizinisch behandelt werden zu können.

Rund 1000 Flüchtlinge leben auf den Pazifikinseln Nauru und Manus – einige seit über fünf Jahren -, ohne Hoffnung, in Australien je Schutz zu finden. Sie sind Opfer der Abschreckungspolitik Australiens, wonach keine Bootsflüchtlinge je einen Fuß auf den Kontinent setzen sollten.

Die oppositionelle Labor Party und eine Gruppe von unabhängigen Senatoren bestätigten am Mittwoch den Entscheid des australischen Repräsentantenhauses vom Vortag. Der Labor-Vorsitzende und damit Oppositionsführer Bill Shorten sagte, ein Land könne starke Grenzen haben und gleichzeitig die medizinische Versorgung von Kranken garantieren.

Laut dem neuen Gesetz, das von 7000 Ärzten und humanitären Organisationen unterstützt worden war, werden in Zukunft zwei Mediziner entscheiden, ob ein Patient zur Behandlung nach Australien evakuiert werden soll. Bisher lag die Verantwortung bei Bürokraten. Selbst Patienten mit potenziell tödlichen Krankheiten und starken Schmerzen warteten oftmals Jahre auf einen Entscheid.

„Menschenunwürdige Zustände“

Internationale Organisationen verurteilten die Praxis und die Zustände in den Lagern als „menschenunwürdig“ und rechtswidrig. Gewalt, Selbstverstümmelungen und Suizidversuche seien an der Tagesordnung. Die Mehrheit der Internierten sind anerkannte Flüchtlinge.

Der konservative Premierminister Scott Morrison hatte im Vorfeld des Entscheides davor gewarnt, unter den Asylsuchenden würden sich „Pädophile und Mörder“ befinden. Der Regierung nahestehende Medien sahen gar die Wahrscheinlichkeit von Vergewaltigungen australischer Frauen durch kriminelle muslimische Flüchtlinge, wenn diese als Patienten nach Australien kämen. Die rassistisch gefärbte Polemik hat keine Basis: Der Immigrationsminister wird bei Flüchtlingen, denen eine kriminelle Tat vorgeworfen wird, weiterhin das Veto-Recht haben über den Entscheid der Ärzte.

Minuten nach dem Entscheid gab Morrison die Wiedereröffnung des berüchtigten Internierungslagers auf der zu Australien gehörenden Weihnachtsinsel bekannt. Damit reagiere Canberra auf den „zu erwartenden Anstieg der Ankunft von Bootsflüchtlingen“. Morrison und Heimatminister Peter Dutton warfen Oppositionsführer Bill Shorten vor, „die Schleusen zu öffnen“ und „das Geschäft der Menschenschlepper“ neu anzukurbeln, da potenzielle Bootsflüchtlinge nun eine Möglichkeit sähen, auf dem „Umweg als Patient“ doch noch nach Australien zu kommen. Auch dieses Argument hinkt: Die neue Regelung gilt nur für die bisherigen Asylsuchenden.

Internierungen seit 2013

Seit 2013 interniert Australien auf unbestimmte Zeit Menschen, die meist von Indonesien auf Booten nach Australien kommen wollen. Die Regierung behauptet, danke der Internierungen und dank einer starken militärischen Präsenz vor der Nordküste des Kontinents erreicht zu haben, dass es kaum noch Boote nach Australien schafften. Konservative Kräfte in Europa sehen das „australische Modell“ gerne als Lösung für die eigenen Asylprobleme.

Für Premierminister Scott Morrison ist der Parlamentsentscheid eine massive Niederlage. Einige Kommentatoren verlautbarten, die Regierungskoalition habe die Kontrolle über das Parlament verloren. Einen Misstrauensantrag stellten aber weder die oppositionelle Labor-Partei noch die unabhängigen Abgeordneten.

Beobachter glauben nicht, dass der Entscheid ein erster Schritt auf dem Weg zu einer menschlicheren Flüchtlingspolitik ist. Stattdessen droht Australien ein von Xenophobie und Polemik dominierter Wahlkampf. Umfragen zufolge dürfte die konservative Regierungskoalition die Macht an die Labor-Partei verlieren, wenn sie sich voraussichtlich im Mai den Wählern stellt.

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bringen in Australien schon lange Wählerstimmen. 2001 hatte es ausgesehen, als ob die damalige konservative Regierung von Premierminister John Howard die Macht verlieren würde. Dann erschien am nordaustralischen Horizont ein mit schiffbrüchigen, mehrheitlich muslimischen Flüchtlingen beladener Frachter.

Howard ließ das Schiff stürmen, warnte davor, dass sich unter den Asylsuchenden Terroristen befinden könnten, und deportierte die geschwächten und und zum Teil kranken Flüchtlinge in Internierungslager. Kurze Zeit später wurde seine Regierung mit einem soliden Ergebnis wiedergewählt.

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