Flyer gegen Muslim-Hass: Wir sind die Guten

Die friedliebende Ahmadiyya-Gemeinde macht aus ihrer Rolle als Minderheit der islamischen Minderheit eine Tugend

Die Ahmadiyya gilt als staatskompatibler Islam Foto: (dpa)

Strategisch ist es wahrscheinlich das Beste, was eine Minderheit in der Minderheit aus ihrer Situation machen kann: Die Ahmadiyya-Gemeinde startet auch in Bremen eine Imagekampagne für den Islam. Dabei betont sie, dass ihr Glaube zu Deutschland gehört – ganz wie in seiner Bremer Rede der Bundespräsident Christian Wulff einst gesagt hatte. Dabei ist die Ahmadiyya eines gewiss nicht: repräsentativ.

Denn von den führenden muslimischen Strömungen wird sie als ketzerisch verfolgt. Offiziell sind ihre Anhänger 1973 von der saudischen Islam-Konferenz zu Nichtmuslimen erklärt und vom Besuch der heiligen Stätten ausgeschlossen worden. In ihrer Heimat Pakistan gibt es direkt gegen die Gruppe gerichtete Gesetze, immer wieder kommt es zu Lynchmobs.

Es ist kein Zufall, dass das Bundesverfassungsgericht am Beispiel von Ahmadiyya-Gläubigen 1987 festgestellt hat, dass Religionszugehörigkeit einen Anspruch auf Asyl begründen kann.

„Wir sind froh, dass wir hier unsere Religion frei ausüben können“, sagt der Imam der bremisch-niedersächsischen Gemeinde, Salman Shah, gestern bei der Vorstellung der bundesweiten Info-Offensive der Gemeinschaft. Die hat in Deutschland nicht ganz so viele Anhänger*innen wie die taz Abonnent*innen und, lustige Koinzidenz: Vergleichsweise stark ist die Bremer Community auch in dieser kuriosen Minderheit.

Messias Ghulam Ahmad

Gegründet hat sie Ghulam Ahmad, nachdem er 1882 bemerkte, dass er der von Muhammad verheißene Messias ist. Von gut 1.000 Gläubigen in Bremen und umzu ist die Rede. Mit ihrer Aufklärungskampagne unter dem Titel „Wir sind alle Deutschland“ versucht die Ahmadiyya nun, mit einem Infostand am 24. Februar, Flyer-Aktionen am Hauptbahnhof und einem öffentlichen Neujahrsempfang in ihrer Moschee in Stuhr am 18. Februar gegen Islam-Hass vorzugehen. Anlass dafür sei, „dass eine Partei auf Kosten der Muslime in den Bundestag eingezogen ist“, sagt Gemeindevertreter Mujib Ata.

Die Kampagne passt allerdings auch in den Rahmen einer weltweiten Diaspora-Strategie der Ahmadiyya: Sie nutze die eigene Opposition zum Mehrheits-Islam, um sich als „den guten Islam“ zu inszenieren, hat Religionssoziologe Romain Sèze jüngst herausgearbeitet. „Es geht dabei weniger darum, als Beispiel, denn als Gegenbeispiel zu dienen“ – zu Gewalt- und Terrorakten. Die Ahmadiyya sehe sich als „Reformbewegung mit dem Anspruch, die Umma zum wahren Glauben zurück zu führen“, schreibt in diesem Sinne die Hallenser Orientalistin Andrea Lathan. Oder wie Shah sagt: „Wir sind nicht die Muslime, die Gewalt und Hass verbreiten.“ Eher wolle man durch gute Taten „die wahre Lehre des Islam“ den Mitbürger*innen vor Augen führen. „Die Kampagne wurde gestartet, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken.“

Salman Shah, Imam

„Wir sind nicht die Muslime, die Gewalt und Hass verbreiten“

Das ist eine kluge und friedfertige Strategie, und anders als von Necla Kelek in einem delirierenden Interview suggeriert, werden theologische Einheitlichkeit, Gewaltfreiheit und Rechtstreue der Sekte in der Fachliteratur übereinstimmend hervorgehoben – weshalb sie als einzige islamische Glaubensgemeinschaft in zwei Bundesländern als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt wurde.

Für die Dialogbereitschaft ist der Streit um den Moscheebau von Erfurt ein guter Beleg: Nach Hassattacken durch den dortigen AfD-Landesvorsitzenden besuchte Gemeindesprecher Suleman Malik Björn Höcke persönlich. Er überreichte ihm, weil das Gespräch so unergiebig blieb, eine Übersetzung des Koran. Geholfen hat auch die nicht.

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