Forschung: Viel Lärm um Daten

Wegen Bedenken gegen die seit Langem geplante, von vielen geforderte Lärmstudie wird die Datenschützerin heftig angefeindet. Nun ist eine Lösung in Sicht.

Hier ist es so laut, dass es der Gesundheit schadet: Bremen, Nicolaistraße. Bild: Jean-Philipp Baeck

BREMEN taz | Es ist echt ein Dilemma, gerade aus grüner Sicht. Weil: Irgendwie ist ja beides – der Daten- und der Lärmschutz – „extrem wichtig“. Das sagt auch Grünen-Politikerin Maike Schäfer. Aber vielleicht muss man sich doch nicht für das eine oder andere entscheiden. Und es kann am Ende doch eine Bremer Lärmstudie geben.

Die ist seit 2011 vom Umweltbundesamt in Auftrag gegeben, und für die rot-grüne Landesregierung von „überragendem Interesse“, wie es SPD-Mann Arno Gottschalk sagt. Dass es sie gleichwohl immer noch nicht gibt, liegt an Bedenken der Landesdatenschützerin Imke Sommer. Analysiert werden sollen individuelle Krankenkassendaten auf der einen und der Lärmpegel, in dem die Menschen wohnen, auf der anderen Seite.

Am Ende soll Klarheit darüber herrschen, wie viele BremerInnen von welchem Lärm unmittelbar betroffen sind und welche gesundheitlichen Schäden sie davontragen. Welchen Einfluss haben Autos, Züge und Flugzeuge in der Stadt auf das Risiko für Krankheiten wie Krebs oder Herzinfarkt? Das soll die Studie klären, die der Epidemiologe Eberhard Greiser plant. Klare Hinweise gibt eine Untersuchung, die Greiser mal am Flughafen Köln-Bonn gemacht hat. Ergebnis: Fluglärm hat signifikanten Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch auf Depressionen, Demenz oder chronisches Nierenversagen. Und Bremen, sagt Greiser, eigne sich wegen der „hervorragenden Datenlage“ ganz wunderbar für derlei Forschungen. Erste Ergebnisse sollten schon 2012 vorliegen. Das bis heute keine vorliegen, liege am „heftigen Gegenwind“ der Bremer Datenschützerin, kritisiert Greiser.

Die wiederum muss dessen Forschungen gar nicht genehmigen. Sie berate hier nur, sagt Sommer. Doch ihre Auslegung der Gesetze ist „ganz eindeutig“: Sie lassen derlei Forschungen nicht zu. Weil die Infos, auf denen sie basieren, nicht ausreichend anonymisiert seien. Im Einzelfalle könne man die sensiblen Daten „relativ schnell“ konkreten Personen zuordnen.

Greiser, Professor an der Uni Bremen, wirft Sommer nun „monumentale Inkompetenz“ vor. Er fühle sich „für dumm verkauft“ und in seinen Forschungen „massiv behindert“. Denn andere DatenschützerInnen sehen das offenbar anders als Sommer. Greiser verweist auf den Bundesdatenschutzbeauftragten, seinen niedersächsischen Kollegen, Senatsressorts. Sie alle hätten sein Konzept datenschutzrechtlich für okay befunden. Doch Sommer will sich ihre Rechtsauffassung nicht ausreden lassen. Niemand habe sie, rein juristisch, vom Gegenteil überzeugt.

Doch die Untersuchung könnte auch ohne Sommers Zustimmung stattfinden. Sie hat ja kein Veto-Recht. Doch die Bremer AOK – und ohne die ginge es nicht, sagt Greiser – beteilige sich nur, wenn das durch einen Beschluss der Bremer Landesregierung gedeckt sei, so der AOK-Sprecher. Und den gab es bisher nicht. Allerdings könnte der Gesundheitssenator die Freigabe dieser personenbezogenen Daten genehmigen. Das geht zumindest aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage der Grünen hervor, die gestern in der Fragestunde der Bürgerschaft hätte erörtert werden sollen. Wenn so eine Genehmigung käme, so die AOK, werde man Greisers Gesuch „neu bewerten“.

Es gebe „keinen Grund“, die fraglichen Daten „nicht endlich“ zur Verfügung zu stellen, sagt Schäfer. „Wir erwarten, dass die Hemmnisse jetzt abgebaut werden“, sagt Gottschalk.

Das fordern auch die im „Bündnis gegen Lärm“ zusammengeschlossenen Bürgerinitiativen. Die „Verzögerungstaktik“ sei „inakzeptabel“, sagte Sprecherin Monika Morschel. Schon kursieren allerlei Verschwörungstheorien, die Sommers Ablehnung erklären sollen. Doch die findet auch Greiser „irreal“.

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