Franz Beckenbauer im DFB-Skandal: Die Kaiserdämmerung

Franz Beckenbauer verliert seine Immunität. Ein Korruptionsversuch vor der WM-Vergabe 2006 ist mit seiner Unterschrift versehen.

Joseph Blatter mit Sonnenhut und Franz Beckenbauer im Hintergrund

Erst fällt Joseph Blatter und dann … Franz Beckenbauers Sonnentage sind gezählt Foto: dpa

Sein Schweigen in den letzten Wochen deutete bereits die Kaiserdämmerung an. Franz Beckenbauer ist einer, der immerzu am Reden ist. Egal, ob er was zu sagen hat oder nicht. Wenn er gefragt wird, spricht er. Für den Kaiser ist das ein Gebot der Höflichkeit und er wird ja immerzu irgendetwas gefragt.

Seitdem aber diese Fragen aufgetaucht sind, wie das mit der WM-Vergabe 2006 denn genau gelaufen ist, ist Beckenbauer, der damals das Organisationskomitee leitete, seltsam unzugänglich geworden. Die Aufmerksamkeit konzentrierte sich dadurch unweigerlich auf Wolfgang Niersbach, der am Montag im Wissen vom Amt des DFB-Präsidenten zurücktrat, dass in Kürze wieder sein alter Weggefährte ins Rampenlicht rücken würde.

Am Tag darauf verbreitete dann des Kaisers Hausblatt, die Bild-Zeitung, die Nachricht, Franz Beckenbauer habe offenbar vier Tage vor dem Vergabetermin der WM einen Vertrag unterschrieben, das dem als bestechlich bekannten Fifa-Funktionär Jack Warner diverse Gegenleistungen anbot.

Der DFB bestätigte gegen Mittag diese Darstellung. Das letzte Dogma (“Das Sommermärchen bleibt ein Sommermärchen“), das die WM-Väter bis zuletzt zu verteidigen suchten, ist gefallen, auch wenn man dem Funktionär aus Trinidad und Tobago offenkundig zu wenig bot. Denn Warner stimmte für Südafrika. Die Vermutung, dass ähnliche Angebote auch den vier Asiaten im Exekutivkomitee der Fifa unterbreitet wurden, die für Deutschland votierten, liegt auf der Hand. Aber Beckenbauer schweigt zu all dem erst einmal weiter. Vielleicht hofft er darauf, auch diese Affäre aussitzen zu können.

Aber Beckenbauer schweigt zu allem weiter. Er hofft offenbar, auch dieses Mal alles aussitzen zu können

Es ist ja beileibe nicht so, dass Beckenbauers Biografie frei von Skandalen wäre. Sie wurden bislang nur immer erfolgreich ausgeblendet oder selbst in lexikalischen Einträgen verklausuliert. Wikipedia etwa umschreibt seinen Steuerbetrug als Fußballprofi so: „In den 1970er Jahren musste er 1,8 Millionen D-Mark Steuern nachzahlen, nachdem sich eine Steuerspar-Konstruktion als nicht vereinbar mit den deutschen Steuergesetzen erwies.“ Auch in der jüngsten ARD-Doku anlässlich des 70. Geburtstags von Beckenbauer sparte der Regisseur prekäre Themen wie das gut bezahlte Engagement seines Protagonisten für die russische Gasindustrie und die Weltmeisterschaft 2018 in Russland sowie dessen Katar-Kenntnisse (“Ich habe noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen“) einfach aus.

Bislang schien es so, als könne der Kaiser, gern auch die Lichtgestalt des deutschen Fußballs genannt, per Gesetz für seine Verfehlungen und dunklen Seiten gar nicht haftbar gemacht werden. Beckenbauer weiß um seine Immunität. Bislang schwebte er über allen. Ein Prinzip, das er gern auch zur Nachahmung empfiehlt. Als er während der WM 2006 mit dem Helikopter von einem Spielort zum nächsten geflogen wurde, sagte er: „Ich weiß, das ist sehr kostspielig. Aber ich kann nur jedem empfehlen, wenn er die Möglichkeit hat, sich das Land vom Hubschrauber aus anzugucken: Wir leben in einem Paradies, wir haben ein wunderschönes Land, das sieht man ganz deutlich im Hubschrauber!“

Viel zu weit oben

Möglicherweise wird sich Beckenbauer, sollte er in diesen Tagen doch noch zu Wort melden, auch jetzt wieder auf seine ihm eigene Vogelperspektive berufen. Unterschriften, wird er vermutlich sagen, habe er ja damals viele leisten müssen. Sein Berater und Vertrauter Fedor Radmann habe ihm damals jede Menge Papiere vorgelegt. Da könne man ja nicht jedes Mal so genau hinschauen.

Ob er mit dieser Masche jetzt noch durchkommt, ist allerdings höchst unwahrscheinlich. So viel Kaiserdämmerung gab es noch nie. Beckenbauer war offenbar Mitglied eines exklusiven Korruptionsrings in der DFB-Führungsriege und musste angesichts der Brisanz der Unterlagen sehr genau gewusst haben, was er tat. Der DFB erklärte am Dienstag zwar, Beckenbauer sei damals nicht allein vertretungsberechtigt für den DFB gewesen. Daher seien alle festgehaltenen Absprachen abhängig von einer Zustimmung des DFB-Präsidiums gewesen. Kurzum: Auch der damalige DFB-Chef Gerhard Mayer-Vorfelder wusste von dem Vorgang. Aber nach dem Rücktritt von Wolfgang Niersbach kann sich Beckenbauer als einstiger Chef des WM-Organisationskomitees nicht mehr durch weiteres Schweigen aus der Verantwortung stehlen.

Der Druck auf Beckenbauer wächst enorm – sowohl von verbandsinterner als auch von politischer Seite. Der Kaiser steht plötzlich im Zentrum des Skandals und nicht mehr irgendwo drüber. Der DFB-Interimspräsident Rainer Koch hatte bereits angemahnt, Beckenbauer müsse seine sehr deutliche Zurückhaltung aufgeben. Und die SPD-Politikerin Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, forderte, Beckenbauer müsse Antworten liefern. Insbesondere über den Verbleib der 6,7 Millionen Euro, die im Jahr 2005 vom deutschen WM-Organisationskomitee an die Fifa überwiesen wurden, erwartet man sich Aufschluss von Franz Beckenbauer. Ein frommer Wunsch womöglich.

Als Sepp Blatter zum ersten Mal zum Präsidenten des Fußball-Weltverbandes gewählt wurde und in der Nacht davor viele Geldumschläge in einem Pariser Hotel ausgetauscht worden sein sollen, sagte Beckenbauer lediglich: „Das wird alles viel zu wichtig genommen.“ Im Unterschied zu früher wird ihm diese vermeintliche Lässigkeit aber keiner mehr hoch anrechnen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.